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  • Berlin
  • Rechtsradikale Mörder

Neun statt zwei

Dieter Eich ist nun auch laut amtlicher Kriminalstatistik von Neonazis getötet worden / Forscher untersuchten Morde von 1990 bis 2008

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Dieter Eich liegt leicht alkoholisiert in seinem Bett. Zwei junge Männer aus der Nachbarschaft betreten seine Wohnung in Buch. Das Türschloss ist kaputt, sie kommen ohne Gewaltanwendung hinein. Die Männer finden ihn im Bett, treten auf ihn ein. Sie verlassen die Wohnung wieder und feiern. Dann fällt ihnen auf, Eich könne sie erkannt haben und beschließen, ihn »kaltzustellen«. Sie kehren zurück in die Wohnung, einer stößt mit dem Messer zu. Eich stirbt. Es war der 24. Mai 2000.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung führt den Mord seit Jahren auf ihrer Liste von Todesopfern, die von Rechtsextremen umgebracht wurden. Erst jetzt wird Eich als solches auch in die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik aufgenommen. Vorausgegangen war dem eine dreijährige Untersuchung von zwölf Todesfällen des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität (TU) Berlin. Das Landeskriminalamt hatte sie vor dem Hintergrund der NSU-Morde in Auftrag gegeben. Zunächst hatte der »Tagesspiegel« berichtet.

Die Forscher um Michael Kohlstruck hatten seit 2015 Medienberichte analysiert, Ermittlungsakten gelesen, mit Angehörigen gesprochen und die Recherchen von Journalisten eingesehen. Im Ergebnis kommen sie zu dem Schluss, dass Eich »deshalb Opfer wurde, weil er in den Augen der Täter einer minderwertigen gesellschaftlichen Gruppe angehörte«, so der Bericht. Die Täter seien »fest in rechtsextreme Strukturen« eingebettet gewesen - sie trafen sich in einer Kameradschaft, unterschrieben Briefe mit »Heil Hitler«, bedrohten Ausländer und hielten Eich für asozial.

Zwölf Morde von 1990 bis 2008 haben die Forscher untersucht. Acht Fälle mit neun Todesopfern rechnen sie rechtsmotivierten Tätern zu. Nur zwei davon galten bisher bei der Polizei als rechtsmotiviert: die Morde am Vietnamesen Nguyen Van Tu in Marzahn und an Silvio Meier in Friedrichshain, beide 1992. Die sechs bisher nicht gelisteten Fälle (sieben Opfer), die die Forscher als rechtsmotiviert benannten, sollen nun auch offiziell nachgemeldet werden. Damit erhöht sich die Zahl der rechten Todesopfer in Berlin seit 1990 auf neun.

Eines der Opfer ist Beate Fischer. Sie soll zunächst freiwillig mit vier Männern Sex gehabt haben. Einer der Männer verletzt sie dann gezielt. Daraufhin will sie die Wohnung verlassen, wird daran aber gehindert. Die Männer stehlen ihr zwischenzeitlich eine Telefonkarte, einen Walkman und einen Europieper (Pager) aus der Handtasche. Als sie erfahren, dass sie Prostituierte ist, halten sie sie weiter fest, vergewaltigen sie und versuchen dann auf verschiedene Arten, sie zu töten. Schließlich erdrosseln sie sie mit einem Handtuch.

Die Täter waren »fest in eine gewaltorientierte rechtsextreme Szene integriert«, heißt es in der TU-Untersuchung. Sie waren Skinheads, einer lebte zeitweise in einem rechten Hausprojekt im Lichtenberger Weitlingkiez, einer war Hooligan des Fußballvereins Hertha BSC. Sie schrieben sich Briefe, die »reichhaltig mit nationalsozialistischer Symbolik ausgestaltet« waren.

»Wir begrüßen die Anerkennung der Todesopfer«, sagt Robert Lüdecke, Sprecher der Amadeu-Antonio-Stiftung. Sie sei ein »wichtiges Signal«, auch für die Betroffenen und Angehörigen, die sich fragten, warum ihre Verwandten oder Freunde sterben mussten. Die meisten Menschen aus der Untersuchung der TU-Forscher seien marginalisiert - Obdachlose, eine Prostituierte - und hätten keine Lobby. Dabei habe sich gezeigt: »Es ist wichtig, dass Freunde, Verwandte oder Initiativen nachbohren, damit Polizei und Staatsanwaltschaft auch einen möglichen rechten Tathintergrund untersuchen«, sagt Lüdecke. Er fordert eine Kommission, wie es sie in Großbritannien gebe: »Wenn Hinterbliebene sagen, dass sie von einem rechten Tatmotiv ausgehen, geht die Kommission dem nach, bis sie es beweisen oder ausschließen kann.«

Der »Tagesspiegel« recherchiert seit dem Jahr 2000 Fälle rechtsmotivierter Tütungssdelikte seit Oktober 1990, die in den offiziellen Statistiken nicht als solche gewertet werden. Mit den sechs neu bewerteten Fällen steigt die offizielle Zahl rechter Todesopfer bundesweit auf 83. Der »Tagesspiegel« zählt 150 Menschen.

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