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Brüssel muss eingreifen

Der eskalierende kroatisch-serbische Streit könnte zum Hauptthema beim EU-Westbalkangipfel Mitte Mai in Sofia werden

  • Elke Windisch, Dubrovnik
  • Lesedauer: 3 Min.

Das gehe ja nun gar nicht, befand kühl, aber mit zur Faust geballtem Gesicht Kroatiens Regierungschef Andrei Plenković nach der Drohung aus Belgrad. Nicht sein Land habe den Eklat von Mitte April zu verantworten. Einen Eklat, der die bilateralen Beziehungen auf Talfahrt schickte. Derzeit sind sie so schlecht wie nie seit Ende der jugoslawischen Teilungskriege Mitte der 1990er Jahre. Dabei hatten Staatschefin Kolinda Grabar-Kitarović und ihr serbischer Amtskollege Aleksandar Vučić bei dessen Besuch in Zagreb vor zweieinhalb Monaten einen Neustart beschlossen: mehr Rechte für die Minderheiten im jeweils anderen Land, Klärung des Schicksals der Kriegsvermissten, Hunderte ambitionierte Infrastrukturprojekte, die zum Teil mit EU-Fördergeldern finanziert werden sollten.

Auch der Serbien-Besuch einer hochrangigen Delegation des kroatischen Parlaments sollte die Normalisierung der Beziehungen vorantreiben. Beide südslawischen Völker, deren Sprachen sich so nah sind, standen bei globalen wie regionalen Konflikten meist auf unterschiedlichen Seiten der Barrikade. Doch dann brach Parlamentspräsident Gordan Jandrokovic am 12. April die Visite vorzeitig ab. Vojislav Šešelj, Chef der rechtsextremen Serbischen Radikalen Partei und vom Haager Tribunal für das ehemalige Jugoslawien rechtskräftig als Kriegsverbrecher verurteilt, hatte die am Eingang zum serbischen Parlament gehisste Flagge Kroatiens mit Mast aus dem Beton gerissen und dann mit Füßen getreten. Danach haute er im Innenhof den Abgeordneten aus Zagreb nicht druckreife Mutterflüche um die Ohren. Der Sicherheitsdienst wagte nicht, den Wüterich hart anzupacken: Šešelj hat ein Abgeordnetenmandat. Seine Wut galt vor allem dem Staatswappen: einem rot-weißen Schachbrettmuster, das die kroatischen Regionen symbolisiert. Die Ustascha, Hitlers Vasallen im Zweiten Weltkrieg, hatten es auch für die Flagge des kurzlebigen Unabhängigen Staates Kroatien verwendet.

Zwar fand Serbiens Ministerpräsidentin Ana Brnabić klare Worte bei Twitter: Der Versuch, die Symbolik eines anderen Staates zu schänden oder dessen Abgesandte bei offiziellen Besuchen zu beleidigen, sei mit dem Wertekanon ihrer Regierung unvereinbar und verdiene »eindeutige und schärfste Kritik«. Kurz darauf goss jedoch ein anderer Scharfmacher Öl ins Feuer: Verteidigungsminister Aleksandar Vulin. Er wollte der im Zweiten Weltkrieg in einem kroatischen KZ ermordeten Serben gedenken. Zagreb bat um Verschiebung. Die Öffentlichkeit müsse nach dem Fahnen-Eklat erst zur Ruhe kommen. Nicht die Minister in Zagreb, höhnte Vulin, nur Aleksandar Vučić, als Präsident auch Oberbefehlshaber der serbischen Streitkräfte, könne ihm die Einreise nach Kroatien untersagen. Das Zagreber Außenministerium erklärte Vulin daraufhin zur Persona non grata - im Gegenzug Belgrad seinen kroatischen Amtskollegen Damir Krstičević.

Der kroatisch-serbische Streit könnte nun zum Hauptthema beim EU-Westbalkangipfel Mitte Mai in Sofia werden. Die Eliten in Belgrad wie in Zagreb brauchten den jeweils anderen als Feindbild. Nun könnten sie die Eskalation ohne Intervention europäischer Institutionen nicht mehr stoppen, fürchtet der serbische Politologe Jovan Komšić. Doch schon beim Grenzstreit mit Slowenien überkamen Kroatien Zweifel an Europas Rolle als ehrlicher Makler. Ähnliche Befürchtungen treiben Zagreb auch im Streit mit Belgrad um. Serbien, größte Wirtschaftsmacht auf dem Balkan mit nach wie vor erheblichem Einfluss auf die Nachfolgestaaten Jugoslawiens, spielt die Schlüsselrolle in den EU- Plänen, Russlands Einfluss auf dem Balkan zurückzudrängen.

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