- Politik
- Katholikentag in Münster
Viele Christen glauben nicht an die AfD
Debatte um Einladung eines Vertreters der Rechtsaußenpartei zum 101. Katholikentag dauert an
Seit Monaten steckt das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) als Ausrichter des 101. Katholikentags in Münster in einem Dilemma. Als vergangenen Mai der evangelische Kirchentag die damalige AfD-Politikerin Anette Schultner und Chefin der »Christen in der AfD« zu einer Podiumsdiskussion nach Berlin einlud, war die Haltung des ZdK noch eindeutig: Eine Vertreter*in der Rechtsaußenpartei bekomme auf dem nächsten Katholikentag keinen Platz.
Ein Jahr später ist die Situation eine andere: Die AfD ist mittlerweile die stärkste Oppositionspartei im Bundestag, inzwischen sitzt sie in 14 Landesparlamenten. Auch die katholische Kirche muss sich deshalb die Frage stellen: Wie mit den Rechten umgehen?
Im Februar kam es schließlich zu einer Kehrtwende: Seitens des Veranstalters hieß es, auch ein AfD-Politiker werde an einer geplanten Diskussion zum Thema Staat und Religion teilnehmen, so wie Vertreter*innen aller anderen Bundestagsparteien auch. Ganz geheuer war dem Vorsitzenden der Katholikentagsleitung, Thomas Sternberg, die Einladung allerdings nicht, weshalb auch die Begründung, den Rechten nun doch einen Platz einzuräumen, etwas holprig erscheint. Man wolle nicht die Parteien als solche zusammenkommen lassen, wie Sternberg betont, »sondern nur ihre kirchenpolitischen Sprecher«.
Im Fall der AfD-Bundestagsfraktion ist das Volker Münz. In der ersten politischen Reihe der Rechten ist er bisher nicht in Erscheinung getreten. Wo sich Münz innerhalb der Partei verorten lässt, ist allerdings klar. Das Ex-CDU-Mitglied war Mitunterzeichner der Erfurter Resolution, die im März 2015 von Björn Höcke und André Poggenburg initiiert wurde, um die Partei auf einen völkisch-nationalistischen Kurs zu trimmen.
Genau hier setzt auch vielfach die Kritik an der Einladung von Münz an: »Münz macht gemeinsame Sache mit den Holocaust- und Wehrmachts-Relativierern Höcke und Gauland. Dafür darf Münz nicht auch noch mit einem Podium auf dem Katholikentag belohnt werden«, erklärt etwa die LINKE in Münster. Auch die Grünen bezeichneten die Einladung als »schlechten Scherz«. »Die Entscheidung, Volker Münz einzuladen, halte ich für falsch! Denn sie bietet einem Vertreter der in großen Teilen antidemokratischen, menschenfeindlichen und rassistischen Partei eine große öffentliche Bühne«, so der Grünen-Stadtrat Stephan Orth.
Auch innerhalb der katholischen Gemeinde regte sich in den vergangenen Wochen massiver Widerspruch. So forderten Ende März 47 Theologen aus ganz Deutschland das ZdK auf, die Einladung der AfD zurückzunehmen. Die Politik der AfD sei für Christen »unannehmbar«, heißt es in einer im Internet verbreiteten Erklärung. Die Einladung stelle einen »dreifachen Dammbruch« da. Sie komme einer »Normalisierung einer menschenfeindlichen und hasserfüllten Politik« gleich, da die AfD mit Begriffen wie »Genderterror« und »Islamisierung« Missgunst gegen alle schüre, »die als vermeintlich fremd deklariert werden«. Nicht die AfD wäre ein Opfer, sollte sie vom Katholikentag ausgeladen werden. Viel mehr wären dies bei einem Auftritt der Rechtsaußenpartei »all diejenigen, die unter Rechtsextremismus, Nationalismus und Sexismus zu leiden haben«. Die Befürchtung der Theologen: »Wir Katholik*innen werden in Münster als progressive Verbündete disqualifiziert sein«. Ähnlich kritische Töne waren unter anderem auch vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend zu hören. Der Katholikentag solle einer Partei, der unter anderem rassistische Tendenzen vorgeworfen werden, kein Forum bieten. Christsein und AfD passten nicht zusammen.
ZdK gibt Erklärung gegen Rassismus ab
Inzwischen ist klar: Das ZdK wird an der Einladung von Münz auf jeden Fall festhalten. Um inhaltlich dennoch einerseits auf die Kritiker einzugehen und sich andererseits inhaltlich von der AfD zu distanzieren, wollte sich das Zentralkomitee am Dienstagnachmittag mit einer »Münsteraner Erklärung« gegen Rassismus, Ausländer- und Behindertenfeindlichkeit positionieren. Die Stellungnahme solle zum Ausdruck bringen, »dass wir als Christen insbesondere mit den Angehörigen anderer Religionen und Weltanschauungen, mit Zuwanderern und Einheimischen, friedlich zusammenleben wollen«, so ZdK-Präsident Sternberg am Dienstag in Münster vor der Eröffnung der Frühjahrsversammlung der katholischen Laienorganisation.
Auch wenn die Erklärung die AfD namentlich nicht erwähnt, ist sie doch auch als Stellunganahme gegen Positionen zu sehen, wie sie etwa Münz vertritt. Der 53-Jährige hatte im Bundestagswahlkampf 2017 laut »Südwest Presse« erklärt: »Ich habe keine Probleme mit Chinesen und Italienern. Der Islam ist das Problem. Man merkt, dass sich die Chinesen integrieren wollen, die Muslime eher nicht.«
Die Debatte um seine Person kann Münz indes nicht verstehen. Gegenüber der »Welt« erklärte er kürzlich, er sehe sich »als Brückenbauer zwischen der AfD und den Kirchen«. Gleichzeitig wird er allerdings nicht müde, selbige Insitutionen zu attackieren: »Viele in den Kirchen und fast alle in deren Spitzengremien setzen sich auf ein hohes moralisches Ross, fühlen sich im Besitz einer allgemeingültigen Wahrheit gerade in politischer Hinsicht und qualifizieren diejenigen ab, die politisch zu anderen Schlüssen kommen.«
Christen wählen seltener AfD
Innerhalb der beiden großen christlichen Kirchen hat die AfD bisher einen schweren Stand. Lokale Kirchenvertreter engagieren sich regelmäßig, wenn die Rechtsaußenpartei irgendwo im Land zu einer Kundgebung aufruft. Als die AfD und andere rechte Gruppen im Herbst 2015 in Magdeburg eine Kundgebung abhalten, schaltete die Domgemeinde aus Protest nicht nur das Licht aus, sondern ließ die Glocken läuten. Ähnliches geschah 2017 unter anderem auch in Quakenbrück und Traunstein.
Auch bei Wahlen kann die Partei offenbar unter Christen bisher nur unterdurchschnittlich punkten, wie Analysen nahelegen. Laut Forschungsgruppe Wahlen gaben bei der vergangenen Bundestagswahl neun Prozent der Katholiken und elf Prozent der evangelischen Christen den Rechten ihre Stimme, bei den Konfessionslosen waren es hingegen 17 Prozent.
Eine Allenbach Studie kommt sogar zu dem Schluss, dass es einen Unterschied mache, inwieweit sich Gläubige innerhalb der Kirche engagieren. Bei den kirchennahen Christen komme die AfD demnach nur auf Zustimmungswerte von drei bis vier Prozent.
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