Hetze für Haverbeck

Neonazi-Aufmarsch vor JVA Bielefeld-Senne, in der verurteilte Holocaust-Leugnerin einsitzt

  • Sebastian Weiermann, Bielefeld
  • Lesedauer: 3 Min.

Um Außenwirkung geht es bei diesem Neonazi-Aufmarsch wirklich nicht. Der Bielefelder Ortsteil Quelle ist ziemlich abgelegen. Die JVA Bielefeld-Senne, in der die notorische und verurteilte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck seit Montag inhaftiert ist, liegt noch weiter draußen. Und so ziehen die Neonazis über Feldwege und rufen ihre Parolen wie: »Freiheit für Haverbeck«.

Dabei hört, außer der Polizei, fast niemand die Rechten. Doch das ist den Teilnehmern, die aus ganz NRW, Baden-Württemberg und Niedersachsen gekommen sind, nicht wichtig. Es geht ihnen um ihre Selbstvergewisserung als die einzigen »aufrechten Deutschen«.

Der Aufmarsch bot durchaus kuriose Anblicke. Neben Neonazis mit Glatze und Bomberjacke marschierten Männer und Frauen im Faltenrock, die dem traditionalistischen völkischen Spektrum entstammen. Sie alle eint das Thema Holocaust-Leugnung. »Ursula Haverbeck hat in der extremen Rechten einen den Status einer Heldin. Als überzeugte Nationalsozialistin der sogenannten Erlebnisgeneration, die immer wieder offen den Holocaust leugnet, wird sie verehrt. Schon während der Strafprozesse gegen sie in den letzten Jahren reisten aus dem gesamten Bundesgebiet Unterstützer und Unterstützerinnen an«, sagt Frederic Clasmeier von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Ostwestfalen.

Haverbeck und andere Holocaust-Leugner sind wichtig für die Neonazi-Szene. Warum das so ist, weiß Clasmeier: »Die Relativierung oder Leugnung der Shoa, des systematischen NS-Massenmordes an den europäischen Jüdinnen und Juden ist ein zentraler Bestandteil extrem rechter Ideologie. Die Erinnerung an die NS-Verbrechen macht einen uneingeschränkt positiven Bezug auf die deutsche Geschichte gesellschaftlich unmöglich. Daher versucht die extreme Rechte seit 1945 den Nationalsozialismus von diesem ‘Makel’ zu befreien. Gleichzeitig dient die Leugnung des Holocausts, da diese strafrechtlich verfolgt wird, der extremen Rechten als Beweis für die Unterdrückung der Deutschen und der eigenen Inszenierung als Opfer.«

In Reden betonen Neonazis immer wieder, dass Haverbeck nur wegen ihrer »Meinung« eingesperrt worden sei. Ein aus Düsseldorf stammender Rechter drohte den »Herrschenden« an, dass man sie nach der Machtübernahme auch »noch auf dem Sterbebett« einsperren werde. Andere Redner wie Dieter Riefling, Thomas »Steiner« Wulff oder Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub, gerierten sich in Reichsbürgermanier und sprachen davon, dass die Bundesrepublik »keine Verfassung« habe und dass der Holocaust eine von den Alliierten 1946 oktroyierte »Tatsache« sei. Sämtliche Redner schrammten nur haarscharf daran vorbei, selbst offen den Holocaust zu leugnen.

Gegen den neonazistischen Aufmarsch gingen mehrere hundert Menschen auf die Straße. Die meisten von ihnen konnten in Sicht- und Hörweite der Neonazis demonstrieren. Etwa 150 autonome Antifas wurden allerdings schon am Vormittag von der Polizei in einem Vorort festgehalten. Dabei wurden einzelne Nazi-Gegner festgenommen.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.