- Politik
- Neuer Regionalpräsident in Katalonien
Quim Torra: »Treu dem Aufbau der katalanischen Republik«
Anwalt und Verleger hat sich als Stellvertreter von Carles Puigdemont in Katalonien erklärt, der am Unabhängigkeitsweg festhalten will
»Ich sollte heute nicht hier stehen«, so begann der Anwalt und Verleger Joaquim (Quim) Torra i Pla seine Rede vor dem katalanischen Parlament am Samstag erklärt. Puigdemont ist »unser Präsident«, erklärte der 55-Jährige. Sein Buch »Eine unfreiwillige Reise in das unmögliche Katalonien« ist preisgekrönt.
Doch nun begibt sich Torra auf eine möglicherweise ähnlich unmögliche und weniger literarische, dafür umso mehr politische Mission. Vor dem Parlament wies der preisgekrönte Schriftsteller am Samstag sofort auf fehlende »politische Gefangene« und »Exilierte« wie Puigdemont hin, die ihre Stimme delegieren müssten. Er sieht sich als Stellvertreter Puigdemonts. Nun wird Torra vermutlich am Montag neuer und 131. Präsident Kataloniens, auch wenn das wegen des Verhaltens der linksradikalen CUP nicht gesichert ist.
Da Spanien verhindert hat, dass Carles Puigdemont und andere Kandidaten gewählt werden konnten, hatte der aus Spanien abgesetzte Puigdemont vor Kurzem Torra als Kandidat bestimmt. Seine Wahl ist kaum zu verhindern, ohne die spanische Verfassung bis zur Unkenntlichkeit zu verstümmeln. Er wurde erst Ende 2017 zu den aus Madrid verordneten Zwangswahlen Politiker und kandidierte auf Puigdemonts Liste »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat).
Zuvor hatte Spanien Katalonien nach der Unabhängigkeitserklärung unter Zwangsverwaltung gestellt. Torra können dafür aber keine Vorwürfe gemacht werden.
Torra will die Regierungsgeschäfte nun »provisorisch« für den »legitimen Präsidenten« in Katalonien führen und eng mit dem »Rat der Republik« unter Führung Puigdemonts im Exil kooperieren, bis der Präsident gewählt wird.
Der katalanische Schriftsteller wurde 1962 in Blanes geboren, einer Kleinstadt am Mittelmeer in der Provinz Girona, die eine Hochburg der Unabhängigkeitsbewegung ist. Auch Torra ist ein Verfechter des Wegs in die Eigenständigkeit und hat sich in Büchern und Essays mit der katalanischen Geschichte, besonders mit der zweiten spanischen Republik, beschäftigt. Die erkannte das Selbstbestimmungsrecht der Katalanen an, wurde aber von den Putschisten unter Franco gestürzt.
Der Vater von drei Kindern war ab 2013 Vizepräsident von Òmnium Cultural und wurde nach dem Tod von Muriel Casals 2015 Präsident der Kulturorganisation. Er war außerdem ab 2011 Mitglied des ständigen Rats des Katalanischen Nationalkongresses (ANC). Diese großen Organisationen stehen hinter den riesigen Mobilisierungen für die Unabhängigkeit ab 2010. Im Jahr 2012 wurde er Direktor des Kulturdenkmals »Born Centre Cultural«, ein Wahrzeichen für die Unabhängigkeit. Die Ruinen zeugen vom Barcelona, das 1714 nach einjähriger Belagerung unter die spanische Krone fiel und dem Boden gleichgemacht wurde.
Puigdemont wählte den Literaten und Anwalt aus, der sich selbst als »emotionalen Unabhängigkeitsbefürworter« bezeichnet. Er spricht eine klare Sprache und versteckte sich auch am Samstag nicht hinter zweideutigen Äußerungen. Bisweilen vergreift er sich auch in Worten. Er entschuldigte sich für gelöschte Twitter-Äußerungen im Jahr 2012, die als Beleidigungen gewertet werden.
Torra richtete seine Rede am Samstag vor allem an die linksradikale CUP. Die will eigentlich nur Puigdemont wählen, hatte aber die Tür geöffnet, auch einen Kandidaten zu wählen, wenn der Aufbau der Republik im Zentrum steht. Die linksradikale Partei sieht die Vergangenheit des neuen Regionalpräsidenten und Puigdemont-Vertreter kritisch. CUP-Sprecher Carles Riera verwies darauf, das Torra 20 Jahre in der Schweiz bei den Winterthur-Versicherungen gearbeitet habe. Doch mit Blick auf das Unabhängigkeitsreferendum, sagte Riera der 2007 nach Katalonien Zurückgekehrte stehe »treu zum Programm des 1. Oktober und dem Aufbau der Republik«.
In seiner Rede erklärte Torra es gehe auch darum, die Ausnahmesituation zu beenden und die »Institutionen zu restaurieren«. Eine »Politik, die nicht wir machen, wird gegen uns gemacht«, sagte er mit Blick auf die Unionisten. Aber es gäbe »keine Ausrede«, keinen »Staat in Form einer Republik aufzubauen«. Torra will einen »konstituierenden Prozess« einleiten, mit breiter gesellschaftlicher Beteiligung, um »über die Zukunft unseres Landes zu debattieren«. Er zeigte sich aber auch bereit, mit Spanien »ohne Vorbedingungen« über alles zu sprechen, sollte Ministerpräsident Mariano Rajoy endlich zu Verhandlungen bereit sein.
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