Eulex - außer Spesen wenig gewesen
EU-Rechtsstaatsmission streicht in Kosovo sang- und klanglos die Segel
Selbst eine gescheiterte Organisation geht selten so ganz. Die internationalen Gesetzeshüter der EU-Rechtsstaatsmission Eulex in Kosovo werden am 15. Juni ihre Posten räumen. Doch ihr erfolgloser Arbeitgeber soll dem Staatenneuling nach Ablauf eines fast zehnjährigen Mandats möglicherweise unter neuem Namen als abgespecktes Beratungsgremium erhalten bleiben. Eine »EU-Monitor-Mission« werde weiter Kosovos Justiz »überwachen«, teilte Justizminister Abelard Tahiti in der vergangenen Woche mit. Ob als Eulex oder unter neuen Namen, sei noch nicht entschieden.
Wehmut wegen des Abschieds kommt in Kosovo nicht auf. Als größte EU-Mission aller Zeiten hatte Eulex nach der Unabhängigkeitserklärung in Nachfolge der als korrupt verrufenen UN-Verwaltung Unmik Ende 2008 die Arbeit aufgenommen. Zeitweise bis zu 2000 ausländische Richter, Staatsanwälte, Polizisten und Grenzbeamte sollten gemeinsam mit rund 1000 einheimischen Beschäftigten die Polizei und Justiz im neuen Staat stärken, den Kampf gegen die Korruption und die juristische Aufarbeitung von Kriegsverbrechen vorantreiben sowie beim Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen assistieren.
Trotz der hohen Kosten der Mission, deren Jahresbudget zuletzt für noch 800 Mitarbeiter 63 Millionen Euro betrug, konnte Eulex die Erwartungen in Brüssel und in Pristina nicht erfüllen. Der Einsatz sei »von Anfang an falsch konzipiert« gewesen, sagt Lulzim Peci, Leiter des renommierten Kipred-Instituts in Kosovos Hauptstadt.
Nur 20 bis 25 Prozent der von Brüssel entsandten Staatsdiener seien Richter und Staatsanwälte gewesen, die meisten dagegen Polizei- und Zollbeamte. »Doch der Bedarf war genau umgekehrt: Wir hätten 80 Prozent Richter benötigt«, so Peci. Zu allem Übel seien die Richter nur für ein Jahr abkommandiert worden: »In einer so kurzen Zeit kann man nur eine Ahnung erhalten, in welcher Umgebung man operiert.«
Doch Eulex geriet nicht nur durch die magere Erfolgsbilanz, sondern auch durch Fehlschläge und Korruptionsskandale ins Gerede. Der vermeintliche Selbstmord eines von der EU-Mission nach Deutschland gebrachten Kronzeugen im Prozess gegen den früheren UCK-Kommandanten Fatmir Limaj bescherte Eulex 2011 den Vorwurf mangelnden Zeugenschutzes. 2014 berichtete die britische Anklägerin Marie Barnieh von einem bestechlichen Eulex-Richter, der für die Freilassung eines Angeklagten 300 000 Euro eingestrichen haben soll. Eulex dementierte - und suspendierte die Quertreiberin vom Dienst.
Auch bei der Verhaftung des liberalen Serbenführers Oliver Ivanovic, der 2014 mit haltlosen Kriegsverbrecher-Vorwürfen offensichtlich auf Anweisung von oben aus dem Verkehr gezogen wurde, bekleckerte sich Eulex keineswegs mit Ruhm. Nach der Annullierung des Schuldspruchs 2017 wurde der lästige Oppositionspolitiker zu Jahresbeginn in Nordmitrovica ermordet. Ende 2017 brachte der Richter Malcolm Simmons Eulex mit Klagen über politische Einflussnahme und geschäftstüchtige Spesenritter unter seinen Kollegen erneut ins Gerede. Er wolle »nicht mehr Teil dieser Farce« sein, begründete er seinen Rücktritt.
Die Mission habe Kosovo nicht europäisiert, sondern sei mit den Jahren selbst »balkanisiert« worden, ätzen heimische Kritiker. Außer dem staatlichen Fuhrpark überlassen die scheidenden Richter der EU ihren heimischen Kollegen derweil vor allem einen Berg noch nicht abgeschlossener Korruptions- und Kriegsverbrecherprozesse. »Eulex lässt die heißen Kartoffeln in unsere Hände fallen«, klagte deshalb Kosovos Generalstaatsanwältin Drita Hajdari dieser Tage.
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