Gremium ohne Führung

Die Kohlekommission soll bald ihre Arbeit aufnehmen - doch die Postenfrage ist ungeklärt

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf den ersten Blick schien es eine gute Wahl zu sein, die beiden Ex-Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) und Stanislaw Tillich (CDU) in den Vorsitz der Kohlekommission zu heben. Mit der Zeit wuchsen aber die Zweifel, ob vor allem der Brandenburger Platzeck der Richtige ist. Am Mittwoch könnte das Kabinett eine Entscheidung treffen.

Doppelt genäht hält besser, muss sich der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) gedacht haben. Ende vergangener Woche schickte der Verband von Energielieferanten und Netzdienstleistern einen Brief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) und bat kaum versteckt darum, in der Kohlekommission als »Akteur der Energiewirtschaft« berücksichtigt zu werden. Anderthalb Wochen zuvor hatte die Ökostrombranche ein ähnliches Schreiben verschickt und gleichberechtigte Präsenz in der Kommission angemahnt. Sollten dort die Spitzenverbände der konventionellen Energiebranche vertreten sein, müsse auch dem BNE ein Platz eingeräumt werden.

Warum der BNE einen eigenen Brief für nötig befand, erklärt Verbandssprecher Karsten Wiedemann damit, dass ungeklärt sei, wer in der Kommission sitzen soll. Nachdem das Kabinett die Einsetzung der Kommission erneut verschoben hatte, habe es der BNE wichtig gefunden, seine Rolle zu unterstreichen, so Wiedemann.

Nach Ansicht des BNE verengt sich zudem die Diskussion »sehr auf den Kohleausstieg«. In der Kommission gehe es aber auch darum, durch ein Klimagesetz einen Rahmen zum Erreichen der Klimaziele zu schaffen. Dazu habe der BNE Vorschläge erarbeitet, etwa zur Ausweitung der EEG-Umlage auf fossile Energieträger.

Möglicherweise sitzt die Ökostrombranche hier aber einem Missverständnis auf. Im jüngsten Einsetzungsbeschlusses für die Kommission »Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung« fehlen nicht nur die Namen der Chefs, sondern auch Stichworte wie Erneuerbare, Wind, Sonne und Grünstrom - vom Ziel des Koalitionsvertrages, 2030 einen Anteil des Ökostroms von 65 Prozent am Strommarkt zu erreichen, ganz zu schweigen. Der einzige Fortschritt gegenüber dem Vorgängerpapier besteht darin, dass bis 2030 die Kohlverstromung nun nicht mehr nur um 60, sondern um 61 bis 62 Prozent reduziert werden soll.

Ist die Mitwirkung der Umwelt- und Ökostromszene nicht gefragt, scheint auch ein allzu durchsichtiger Kohlelobbyismus hinderlich - zumindest, was die Spitzenjobs in dem Gremium betrifft. Dafür steht vor allem die Personalie Platzeck. Als sich herumsprach, dass Brandenburgs Ex-Ministerpräsident die Kommission mit leiten soll, förderte die Grüne Liga, in der Platzeck einst seine politische Karriere begonnen hatte, aus ihren Archiven Entscheidungen des Ex-Landeschefs zutage, die sich schwer mit einer auf Konsens angelegten Rolle vereinbaren lassen. So habe sich, erinnert der Verband, Platzeck beim EU-Kommissionspräsidenten für das Abbaggern der geschützten Lakomaer Teichlandschaft nördlich von Cottbus eingesetzt, als diese 2006 einem Tagebau im Weg stand.

2007 habe Platzeck gar versucht, Kohlelobbyismus als Klimaschutz zu verkaufen, listet der Umweltverband auf. Brandenburg sollte ein »Innovationslabor« werden für Kohlekraftwerke mit CO2-Abscheidung und -Speicherung. Tatsächlich beantragte die Landesregierung im Bundesrat, die Braunkohle beim Emissionshandel besserzustellen. Auch ließ sie untersuchen, wo man noch Kohle baggern und Dörfer umsiedeln könnte. Die Studie der TU Clausthal wurde 2007 nur über einen Leak öffentlich. Kein Wunder, dass der Verband Platzeck ablehnt - ebenso wie den anderen avisierten Mitvorsitzenden, Sachsens Ex-Ministerpräsidenten Tillich.

Für Beobachter würden zwei Ex-Landeschefs aus dem Osten in der Dreierspitze auch nicht zur Aufgabe der Kommission passen: Werden bis 2030 etwa die ältesten Kohleanlagen abgeschaltet, ist Nordrhein-Westfalen viel stärker betroffen als Brandenburg und Sachsen.

Dass Platzeck und Tillich aufs Schild gehoben wurden, hat wohl auch einen Grund darin, dass sich niemand um die Posten drängelt. Damit steht die Kommission nicht allein da. Bundeswirtschaftsminister Altmaier fehlen zwei beamtete Staatssekretäre für sein Haus, darunter einer für Energie. Offenbar will sich niemand für eine konservative Wende in der Energie- und Klimapolitik hergeben.

Die wird kräftig befeuert. »Der Umwelt- und Klimaschutz darf die Kommission nicht dominieren«, gab der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), vor Pfingsten die Richtung vor. Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit müssten in den Mittelpunkt gerückt werden. Ob das Briefeschreiben der Erneuerbaren dagegen hilft, darf man bezweifeln.

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