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Die Bodenpreise müssen runter
Chef des Berliner Mietervereins will staatliche Eingriffe für bezahlbaren Neubau
Im ersten Quartal 2018 ist die Anzahl der Baugenehmigungen im Vorjahresvergleich um knapp ein Fünftel zurückgegangen. Die CDU forderte daraufhin den Rücktritt von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE). Beunruhigt sie die Entwicklung?
Wir glauben, dass allein die Anzahl der Baugenehmigungen noch gar nichts aussagt darüber, wie der Markt tatsächlich durch Neubau unterstützt wird. Dann stellt sich natürlich die Frage, warum das so ist. Es wäre durchaus eine These, dass im hochpreisigen Segment die Nachfrage zum Gutteil bereits befriedigt ist und deswegen Investoren aus ökonomischen Erwägungen zögern, ob sie weitere Neubauten zu Preisen von 5000 Euro pro Quadratmeter erstellen lassen, wenn sie denn nachher diese Gebäude so nicht veräußern oder vermieten können. Wir gehen natürlich davon aus, dass die Nachfrage nach preisgünstigen Neubauwohnungen weiter hoch ist.
Maren Kern, die Chefin des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), hat dieser Tage recht scharf ein mangelndes Neubauklima beklagt. Ist das nicht seltsam von einem Verband, der hauptsächlich Genossenschaften und Kommunale vertritt?
Ich kann das auch nicht nachvollziehen. Einen Gefallen tut sie den städtischen Wohnungsunternehmen damit nicht. Die private Wohnungswirtschaft kritisiert schließlich, dass der wesentliche Teil des Neubaus von ihr geleistet wurde. Das heißt, ein Stück der Kritik würde ja auch die kommunalen BBU-Mitglieder treffen. Die Behauptung, dass das immer nur am Staat liegt, ist sehr merkwürdig. Gerade in Berlin wurde über viele Jahre die Privatisierung unterstützt und dem Staat wurde mit großer Skepsis begegnet. Heute sehen wir, dass dieser Weg nicht zielführend gewesen ist.
Nun also »Bauen, bauen, bauen«, wie die Berliner SPD mantraartig verkündet?
Das ist nicht differenziert genug. Zum einen hat die bisher stattgefundene Angebotserweiterung den Mietenanstieg nicht gebremst. Zum anderen hat es eben auch im Neubau für breite Schichten der Bevölkerung keine Ausweitung des Angebots gegeben, da diese Wohnungen wegen der Preise nicht anmietbar sind.
Macht also Katrin Lompscher alles richtig?
Der Weg ist richtig. Die neue Landesregierung hat sich zurecht zunächst stark auf die landeseigenen Unternehmen konzentriert. Dass mit der Vereinbarung zu den städtischen Wohnungsunternehmen ein Schritt gemacht wurde, um auch für Mieter einen Schutzraum zu schaffen, halten wir für sachgerecht. So klare Vorgaben sind übrigens einmalig in Deutschland. Wir glauben auch, dass die Versuche, mit Bundesratsinitiativen auf den Bund einzuwirken, unterstützenswürdig sind. Dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) im Moment nicht so recht folgen will, weil er die Verhandlungen für die Große Koalition mit einem deutlich weniger attraktiven Vorschlag beenden musste, als es die Bundesratsinitiative seiner eigenen Landesregierung ist, ist aber eigentlich sein Problem. Das sollte ihn nicht daran hindern, in den Ländern Unterstützung für diesen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Mietrechts zu suchen.
Wo fordern sie Änderungen?
Wir halten die Wohnbauförderung für zu niedrig angesetzt. Wir haben früher eine Förderung von rund 80 bis 85 Prozent der Erstellungskosten gehabt. Davon sind wir sehr sehr weit entfernt. Wenn es mehr Geld pro Objekt gäbe, dafür aber auch längere Sozialbindungen, könnte ich mir vorstellen, dass es auch noch Eigentümertypen gibt, die sich in diesem Segment engagieren würden. Insofern wäre vor allen Dingen die Finanzverwaltung gefragt, ob die Förderung denn tatsächlich besser aufstellt werden kann. Es fehlt ab und an auch der Mut, bestimmte Dinge umzusetzen. Beispielsweise kann nach dem Baugesetzbuch auch auf Bebauungsplangrundstücken zu 100 Prozent sozialer Wohnungsbau verlangt werden. Das wollen die Vertreter in den Behörden im Moment überhaupt nicht umsetzen.
Worauf sollte der Fokus liegen?
In Berlin, wo wir 85 Prozent Mieter haben und wiederum 50 bis 60 Prozent der Bevölkerung Anrecht auf eine Sozialwohnung hat, müssen wir deren Quote am Neubau deutlich erhöhen. Ich glaube, dass die ab 2021 anvisierten 5000 Wohnungen pro Jahr nicht ausreichen werden. Aber auch dieses Mehr hat nur dann Sinn, wenn wir die Grundstücke haben. Und es ist ein Problem, wenn innerhalb des S-Bahnringes ganze 15 Prozent im Besitz des Landes Berlin ist, dann ist es natürlich sehr deutlich, wo die Schwierigkeit liegt.
Gegen den Ankauf von privatem Land sprechen allerdings die Preise.
Wenn ich natürlich beim Erwerb von Grundstücken 2000 Euro pro Quadratmeter zahlen muss, dann kann ich keinen sozialen Wohnungsbau mehr treiben. Die Marge liegt wahrscheinlich zwischen 800 und 1000 Euro. Das zeigt, dass wir an der Stelle in die Bodenpreisentwicklung eingreifen müssen, sonst wird es nicht gehen.
Die Initiative »Münchner Aufruf für eine andere Bodenpolitik« fordert eine Sozialisierung.
Es kann nicht sein, dass Private auf Bauland sitzen und durch den jährlichen Wertzuwachs ihr Vermögen am Ende bei der Veräußerung dann deutlich erhöhen können. Dass eine Verstaatlichung allein auch keine Lösung ist, zeigt das Beispiel China. Dort haben wir einen Boden in Staatshand, aber eine riesige Immobilienspekulation auf den Boden. Dennoch wollen wir uns für eine deutliche Änderung und Umkehr einsetzen.
Aber wie gelänge es, den Boden wieder in die öffentliche Hand zu überführen?
Wenn nach derzeitiger Gesetzeslage enteignet wird, also mit einer Entschädigung zum Verkehrswert, dann habe ich zwar möglicherweise den Grund und Boden, aber eine insolvente Kommune. Die Nutzung des Bodens kann privat sein, aber der Grund sollte tatsächlich als Daseinsvorsorge begriffen werden. Die jetzige Bundesregierung verneint jegliche Eingriffe ins Privateigentum, aber das ist ja nicht auf Jahre zugeschüttet.
Was halten Sie eigentlich von dem angekündigten Volksbegehren, Konzerne wie die Deutsche Wohnen zu enteignen?
Auch ich sehe mit Sorge, dass wir Wohnungsunternehmen haben, insbesondere in Berlin die Deutsche Wohnen als größter Vermieter, die die Marktsituation kolossal ausnutzt und den Mietspiegel angreift. Für die Enteignung mit Entschädigung wären viele Milliarden Euro notwendig, und ich wüsste nicht, wo die im Moment herkommen sollen. Wir denken eher an die Änderung des Bewertungsgesetzes und der Bilanzierungsvorschriften, damit die rasant steigenden Bodenwerte nicht so ein Gewicht wie derzeit haben.
Wie wirkt sich der Mietenwahnsinn eigentlich auf den Mieterverein und seine Mitglieder aus?
Einerseits wächst der Mieterverein weiter mit einem Nettozuwachs von 2,2 Prozent an Mitgliedern im letzten Jahr. Andererseits stellen wir über die letzten zwei, drei Jahre eine relativ große Zurückhaltung der Mieter fest, Rechtsrat in Anspruch zu nehmen und in die Konflikte mit den Vermietern auch wirklich reinzugehen. Viele wollen zwar über ihre Rechte informiert werden, wenn es aber um die Umsetzung der Ansprüche und die Durchsetzung der Rechte geht, dann scheuen viele zurück vor den Konflikten mit dem Vermieter.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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