Ein paar mehr Siege wären schön
Noch ist unklar, was der Deutsche Volleyball-Verband mit der neuen Nations League eigentlich anfangen will
Louisa Lippmann hatte so einige Schmetterschläge mit fast 100 Stundenkilometern ins Feld der Russinnen geknallt und ihre Mannschaftskameradinnen ein ums andere Mal zum ausgelassenen Jubel animieren können. Am Ende aber hingen die Köpfe der deutschen Volleyballnationalmannschaft wieder. Das 1:3 gegen die Rekordweltmeisterinnen im südkoreanischen Suwon Gym war schon die fünfte Niederlage in Folge. Dabei hatte die neu eingeführte Nations League so verheißungsvoll für Lippmann und Co. begonnen. Mit 3:1 war neun Tage zuvor mit Brasilien ein großer Favorit bezwungen worden, aber Serbien, Japan, Südkorea, Italien und eben Russland hatten die junge deutsche Mannschaft dann nicht mehr unterschätzt, so dass sie nach den ersten beiden Viererturnieren doch am Ende der Gesamttabelle steht.
Bis Ende Juni wird es insgesamt 20 derartige Turniere geben, in denen die 16 Mannschaften einmal gegen jede andere spielen, hinzu kommt ein Finalturnier der besten sechs Teams. Das gleiche Format durchlaufen ab diesem Freitag auch die Männer, wobei die deutsche Auswahl zu Beginn in Serbien auf Italien treffen wird.
Der Vizepräsident des Deutschen Volleyball-Verbands (DVV), Heinz Wübbena, will trotz der Niederlagenserie von Enttäuschung nichts wissen. »Der Sieg gegen Brasilien hat uns alle gefreut. In diesen ersten zwei Wochen hätten wir uns vielleicht noch einen Sieg mehr gewünscht. Aber trotzdem müssen wir zufrieden sein«, sagte er nach dem Russlandspiel gegenüber »nd«. Das Team habe am Donnerstag deutliche Verbesserungen gezeigt. Und Bundestrainer Felix Koslowski probiere im Hinblick auf die WM im Herbst viel aus. »Er testet neue Spielerinnen. Wir wollen uns auf verschiedenen Positionen Alternativen erarbeiten«, so Wübbena.
Noch scheint nicht ganz klar, was der DVV mit diesem neuen Wettbewerb, der bei den Frauen den Grand Prix und bei den Männern die Weltliga abgeschafft hat, anfangen will. Ist er sportlich wichtig oder doch nur ein WM-Casting auf höherem Niveau? Wübbena hält die Nations League für »eine gute Neuerung, denn der Weltverband versucht, Volleyball bei Männern und Frauen auf eine Ebene mit einheitlichen hohen Vermarktungsstandards zu bringen. Und für uns ist das eine riesige Chance, regelmäßig auf Weltniveau mitzuspielen. Das hatten wir im vergangenen Jahr nicht.«
In der Tat waren die Frauen 2017 nur in der zweiten Gruppe aktiv, also nicht unter den besten zwölf Teams der Welt. Die Männer dümpelten sogar in Gruppe 3 herum. Trotzdem wurde der DVV vom Weltverband FIVB zur Kernnation erklärt und kann damit sieben Jahre lang nicht absteigen. »Die Motivation von Seiten der FIVB ist ganz klar, den deutschen Markt mitzunehmen. Dem wird eine sehr hohe Bedeutung beigemessen.«
Das wurde bei kleineren Nationen nicht gern gesehen. So darf etwa Slowenien, das in der jüngeren Vergangenheit bei den Männern meist erfolgreicher war, nur in der europäischen Liga mitspielen. Als Kompromiss gibt es keine Weltranglistenpunkte für Siege in der Nations League, so dass die dort antretenden Nationen nicht doppelt von ihren Privilegien profitieren.
Das gefällt wiederum dem DVV nicht. »Unsere Männer können wegen der verpassten Qualifikation keine Punkte bei der WM sammeln. Die Weltrangliste ist aber später für die Teilnahme an den Olympiaqualifikationsturnieren wichtig«, so DVV-Vize Wübbena. »Wir können uns nicht sicher sein, ob die bisher gesammelten Punkte für uns reichen. Das könnte noch eng für uns werden.«
Der langfristige Nutzen der Nations League ist für den deutschen Volleyball nicht nur sportlich fraglich, sondern auch finanziell. »Als festes Mitglied müssen wir pro Geschlecht je ein Turnier veranstalten. Beide liegen zeitlich und geografisch dicht beieinander. Zudem wird das Frauenturnier mitten in der Woche ausgetragen. Die Vermarktung wird eine Herausforderung sein«, berichtet Wübbena von den Planungen. Die Frauen werden vom 12. bis 14. Juni in Stuttgart spielen, die Männer an den folgenden drei Tagen in Ludwigsburg.
Wenn es schlecht läuft, muss der DVV am Ende draufzahlen. Zwar werden die lokalen Veranstalter mittlerweile teilweise entlastet, da sie nicht mehr selbst für TV-Übertragungen sorgen müssen wie beim Grand Prix und der Weltliga noch üblich. »Aber das kommerzielle Risiko liegt noch beim nationalen Verband«, stellt Wübbena klar. Trotzdem wird das Projekt Kernnation vom DVV noch nicht infrage gestellt. »Wir wollen in der Weltspitze mitmischen und streben Podiumsplätze bei Olympia oder Welt- und Europameisterschaften an. Wenn man diesen Anspruch hat, gibt es keine gute Alternative.«
Die deutschen Männer gehen ohne einen anderen Saisonhöhepunkt immerhin etwas ambitionierter in den neuen Wettbewerb. »Unser Traum ist das Final-Six in Lille, allerdings wissen wir um die Schwierigkeit«, sagte Bundestrainer Andrea Giani.
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