»Deutsches Europa« vor dem Zerfall

Die reformpolitische Blockadehaltung Berlins lässt die Zentrifugalkräfte innerhalb der Europäischen Union anwachsen, meint Tomasz Konicz. Bestes Beispiel: die neue Regierung in Italien

  • Tomasz Konicz
  • Lesedauer: 3 Min.

Es seien beunruhigende, antieuropäische Signale, die im Rahmen der derzeitigen Regierungsbildung aus Rom gesendet würden. Das berichtete jüngst die »Neue Zürcher Zeitung«. Ein Entwurf des Koalitionsvertrages lege nahe, dass die neue Regierung aus rechter Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung bereit sei, gegenüber der Europäischen Union auf Konfrontationskurs zu gehen. Das US-Nachrichtenportal »Politico« warnte gar, die neue rechtspopulistische Koalition könnte »Europa, wie wir es kennen, sprengen«. Beide künftigen Koalitionspartner kritisierten die Europäische Union, den Euro und die Globalisierung, meldete die »Süddeutsche Zeitung«. Sie wollten auch »Italiens Wirtschaft mit Importzöllen schützen«.

Noch vor wenigen Monaten war der europapolitische Kurs der künftigen Regierungsparteien weitaus offener, wie etwa Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, in einem Interview ausführte. Auch die populistischen Bewegungen in Italien würden noch auf die Reform der EU setzen, wie sie vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron forciert wurde, sagte Krämer Anfang März. Eine europäische Einlagensicherung und Haushaltsgelder für den Euroraum würden von Italiens Politikern »förmlich herbeigesehnt«. Sie wollten »die Währungsunion nicht verlassen, sondern verändern«.

Der von Rom eingeschlagene Konfrontationskurs hängt somit kausal mit der reformpolitischen Blockadehaltung Berlins zusammen, an der die ehrgeizigen europäischen Pläne des französischen Präsidenten zu scheitern drohen. Noch am 10. Mai, anlässlich der Verleihung des Karlspreises in Aachen, redete Macron der Bundeskanzlerin »ins Gewissen«, wie »Spiegel Online« schrieb. Die Reform der Europäischen Union müsse endlich rasch vorangetrieben werden, da ansonsten »Demagogen und Populisten« den Sieg davontrügen.

Die Verschärfung der Rhetorik in Italien deutet somit darauf hin, dass Emmanuel Macron auch bei seinem letzten Reformaufruf bei Angela Merkel auf taube Ohren stieß. Dabei ist das maßgeblich von Berlin nach dem Ausbruch der Eurokrise geformte »Deutsche Europa« tatsächlich langfristig nicht überlebensfähig.

Es gibt in der Währungsunion keinen Ausgleichsmechanismus für die extremen deutschen Handelsüberschüsse, die einem Export von Schulden gleichkommen - in einem hohen dreistelligen Milliardenbetrag seit der Euroeinführung allein gegenüber der Eurozone. Da alle von Paris vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen zum deutschen Schuldenexport in Berlin als Einstieg in die »Transferunion« verteufelt werden, bleibt den betroffenen Eurostaaten nur die Konfrontation - unabhängig von der gegenwärtigen Regierung.

Die deutsche Beggar-thy-Neigh-bour-Politik (seinen Nachbarn zum Bettler machen), die die Grundlage der derzeitigen Dominanz der Bundesrepublik in der Eurozone legte, führt somit zu deren Destabilisierung, da sie mit Deindustrialisierung und ökonomischer Stagnation in weiten Teilen Europas erkauft wird - was erst populistischen und nationalistischen Bewegungen Aufwind verschaffte. Verschärfend auf die sozioökonomische wie politische Krisendynamik in Europa wirkte das knallharte deutsche Austeritätsregime, dass insbesondere der ehemalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verkörperte.

Die Wechselwirkung zwischen rabiater Sparpolitik in Krisenzeiten und dem Aufstieg extremistischer Bewegungen ist eigentlich seit den 1930er Jahren des 20. Jahrhunderts hinlänglich bekannt. Die Forderung Schäubles nach innerer Abwertung in den europäischen Krisenstaaten ging zudem mit der Weigerung Berlins einher, eine Aufwertung in der Bundesrepublik selber in Gang zu setzen, um so die europäischen Ungleichgewichte zu minimieren - ein notwendiger deutlicher Anstieg des Lohnniveaus oder der Investitionstätigkeit in Deutschland fand nicht statt.

Angesichts der langjährigen wirtschaftlichen Misere und der Blockadehaltung Berlins bleibt den italienischen Populisten somit nur die Konfrontation, wobei es angesichts des Gewichts der italienischen Volkswirtschaft fraglich ist, ob Berlin 2018 mit Rom genauso wird umspringen können wie 2015 mit Athen.

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