Ein Sieg für alle

Mehrheit in Irland stimmt für die Aufhebung des strikten Abtreibungsverbotes

  • Nina Böckmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit so einem Ergebnis hat wohl kaum jemand gerechnet. 66,40 Prozent der irischen Bevölkerung haben sich am vergangenen Freitag für die Aufhebung des strikten Abtreibungsverbotes ausgesprochen. Damit stimmten die Iren und Irinnen das zweite Mal innerhalb weniger als 40 Jahren über Schwangerschaftsabbrüche ab. Im Jahr 1983 sprach sich eine Mehrheit noch für die Einführung des 8. Zusatzartikels der irischen Verfassung aus, welcher das Leben des Ungeborenen mit dem der Mutter gleichsetzt. Eine bedeutende Mehrheit der Bevölkerung entschied sich beim Referendum am Freitag jedoch für dessen Aufhebung.

Ein derart eindeutiger Sieg kommt überraschend, lag die Zustimmung bei der letzten Wahlprognose bei lediglich 58 Prozent. Bereits kurz nach der Schließung der Wahllokale um 22 Uhr Ortszeit, veröffentlichte die »Irish Times« die erste Hochrechnung, mit welcher absehbar wurde, dass das Ergebnis eindeutiger ausfallen würde als zunächst erwartet.

In Teilen Dublins liegt die Zustimmung bei fast 80 Prozent. In keinem der Stadtteile der irischen Hauptstadt liegt sie unter 70 Prozent. In ländlichen Regionen wie Tipperary oder Cavan geht der Trend allerdings eher in Richtung eines 50/50-Ergebnisses. Bis zur Schließung der Wahllokale blieb es also eine Zitterpartie für das »Ja«-Lager. Die Wahlbeteiligung in den Großstädten wie Dublin oder Cork war zwar bereits kurz nach der Öffnung der Wahllokale in vielen Stadtteilen enorm hoch, in einigen ländlicheren Countys jedoch blieb die Beteiligung zunächst überraschend niedrig. Viele der Initiativen rund um die Pro-Choice-Bewegung riefen daher am Nachmittag noch einmal vehement dazu auf, die eigene Stimme geltend zu machen.

Die Wahlbeteiligung von insgesamt 64,13 Prozent lag vier Prozent über derjenigen des vergangenen Referendums 2015. Damals wurde in Irland per Volksentscheid mit 63 Prozent für die Legalisierung von gleichgeschlechtlichen Ehen gestimmt. Wiederholt hat sich beim aktuellen Referendum der Umstand, dass im Ausland lebende Iren und Irinnen anreisten - teilweise aus Ländern wie Australien, Peru oder Thailand -, um abzustimmen.

Von offizieller Seite meldeten sich bereits am frühen Samstag führende Politiker und Politikerinnen zu Wort. So auch Premierminister Leo Varadkar, der von einer »stillen Revolution« sprach und eine Umsetzung der Gesetzesänderung bis zum Ende dieses Jahres erwartet. Nach dem neuen Gesetzesentwurf sollen Abtreibungen in Irland bis zur zwölften Schwangerschaftswoche ohne Begründung ermöglicht werden. Nach Ablauf dieser Frist sollen Abbrüche nur dann vorgenommen werden, wenn die Gesundheit oder das Leben der Schwangeren gefährdet ist oder eine tödliche fetale Anomalie vorliegt.

Anders sieht es jedoch in Nordirland aus. Als einziger Teil Großbritannien ist Nordirland ausgenommen vom »Abortion Act 1967«, der Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Bedingungen legalisiert. In Nordirland bleiben Schwangerschaftsabbrüche somit bis auf Weiteres illegal, außer die Schwangere befindet sich in Lebensgefahr. Auch für Frauen ohne Papiere und Zugang zu staatlicher Gesundheitsversorgung bleibt die Situation jedoch nach wie vor schwierig.

Mit dem Referendum am Freitag wurde auf ein Neues deutlich, dass Irlands Gesellschaft in ihrem Wertesystem größtenteils mittlerweile im 21. Jahrhundert angekommen ist. Die Vorherrschaft der katholischen Kirche schwindet mehr und mehr dahin. Es darf vermutet werden, dass derart eindeutige Abstimmungsergebnisse - sowohl in Bezug auf die Aufhebung des Abtreibungsverbots, also auch auf die Ehe für alle - diesen Prozess wohl noch beschleunigen werden.

In erster Linie haben am Freitag die Frauenrechte in Irland gesiegt. Global betrachtet aber ist das Ergebnis des Referendums ein Sieg für alle und ein bedeutender großer Schritt weiter in Richtung Gleichberechtigung.

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