- Politik
- Gustavo Petro in der Stichwahl
Kolumbiens Linke historisch stark
Gustavo Petro zieht in die Stichwahl ein und trifft dort auf den rechten Favoriten Duque
Dario Arizmendi konnte es kaum glauben. »Es ist das erste Mal, dass wir eine Sendung zur Präsidentschaftswahl nicht mit Meldungen über Anschläge, Probleme der öffentlichen Ordnung und nicht geöffnete Wahllokale beginnen«, sagte der 72-jährige Radioveteran im Sender Caracol. In der Tat war die Wahl zum neuen Staatsoberhaupt – die erste nach dem Ende des bewaffneten Konflikts mit der FARC-Guerilla – die friedlichste in der Geschichte des Landes. Dazu trug auch bei, dass die ELN-Guerilla Tage zuvor einen temporären Waffenstillstand verkündet hatte.
Mit 53 Prozent Wahlbeteiligung – der höchste Wert seit zwei Jahrzehnten – brachen die Kolumbianer ihren Rekord der traditionell geringen Teilnahme an Präsidentschaftswahlen. Die allermeisten der Stimmen entfielen dabei auf den Kandidaten der Rechtspartei Centro Democrático, Iván Duque. Für den 41-Jährigen, der als Protegé von Ex-Präsident Álvaro Uribe (2002 bis 2010) gilt und seine Popularität unter anderem aus dem Versprechen schöpft, die Friedensvereinbarungen der noch amtierenden Regierung von Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos mit der FARC-Guerilla an zentralen Punkten noch einmal zu verändern, fuhr mit 7,5 Millionen Stimmen und 39,1 Prozent einen deutlichen Sieg ein.
In der zweiten Runde am 17. Juni trifft er auf den linken Kandidaten Gustavo Petro, der mit 25,1 Prozent mit weniger als 300.000 Stimmen Vorsprung nur knapp vor dem links-bürgerlichen Sergio Fajardo und dessen »Coalición Colombia« (23,7 Prozent) landete. Petros Ergebnis ist das Beste, das ein linker Kandidat in Kolumbien je erzielen konnte. »Und wir haben noch Luft nach oben«, sagte er am Wahlabend vor den jubelnden Anhängern seiner Bewegung »Colombia Humana«.
Der Mitte-Rechts-Bewerber German Vargas Lleras (7,2 Prozent) und der ehemalige Verhandlungsführer der Regierung Santos bei den Friedensgesprächen von Havanna, Humberto de la Calle (zwei Prozent), blieben chancenlos.
Am 17. Juni haben die Kolumbianer nun die Wahl zwischen zwei sehr unterschiedlichen Kandidaten. Petro, Ex-Guerillero, Ex-Bürgermeister Bogotás und bekennender Anhänger des französischen Wirtschaftswissenschaftlers Thomas Piketty, betonte am Wahlabend, er wolle »die Reichen nicht ärmer machen, sondern die Armen reicher«. Er widersprach der Darstellung, er und seine Bewegung würden eine Diktatur errichten.
Genau dies aber, dass ein Linker in Kolumbien an die Macht kommen könnte, treibt im konservativen Kolumbien dem Kandidaten Duque die Wähler zu. Auch wenn Duque sich zuletzt gemäßigt im Ton gab, hatten Mitglieder seiner Partei Centro Democratico – allen voran Ex-Präsident Uribe – im Wahlkampf immer wieder das Gespenst des »Castro-Chavismus« beschworen. Sollte Petro gewinnen, drohten Verhältnisse wie im kriselnden Nachbarland Venezuela. Wirtschaftspolitisch neoliberal ausgerichtet, hat Duque, der auch von zahlreichen klerikal-konservativen Kräften unterstützt wird, auch einige Recht-und-Ordnung-Maßnahmen im Programm. Linke Aktivisten fürchten die Rückkehr eines Schützlings von Álvaro Uribe an die Macht. Dessen Amtszeiten waren von der Verfolgung und Stigmatisierung der linken Opposition geprägt. Zudem könnte der »Uribismo« mit den geplanten Änderungen zentraler Aspekte des Vertrags den ohnehin wackeligen Friedensprozess zum Scheitern bringen.
Bereits am Wahlabend wurden daher erneut Stimmen laut, die den Zusammenschluss zwischen der »Coalición Colombia« von Fajardo und Petros »Colombia Humana« forderten. Der prominente Senatsabgeordnete Iván Cepeda rechnete schon einmal vor: »Wenn Petro, Fajardo und de la Calle ihre Kräfte einen, gewinnen sie in der zweiten Runde. Der politische und demokratische Wandel ist möglich.« Danach sieht es aber momentan nicht aus. Zu tief scheinen die politischen und persönlichen Gräben zwischen beiden Lagern, als dass der Rückstand von 2,7 Millionen Stimmen aufzuholen wäre.
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