Für mehr Party-Aktivismus!

Niklas Franzen meint, dass sich die radikale Linke einiges von den Anti-AfD-Ravern abgucken kann

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 2 Min.

Als die Bässe unter der Siegessäule noch wummerten, gab es schon die ersten kritischen Stimmen: Zu unpolitisch und zu viel Party - so lautete die Analyse vieler selbsterklärter Linksradikaler in sozialen Netzwerken. Was war passiert? Zehntausende demonstrierten am Sonntag gegen einen AfD-Aufmarsch, darunter Künstler*innen, Geflüchtete - und eben auch die Berliner Partyszene.

Lesen Sie auch den Beitrag: Kontra von Christopher Wimmer – »Und die Rechten liefen trotzdem«

Organisiert wurde die »antifaschistische Afterhour« von dem Bündnis »Reclaim Club Culture«. Bunt, laut und in bester Stimmung zogen Zehntausende über die Straße des 17. Juni. Bei vielen älteren Berliner*innen wurden am Sonntag Erinnerungen an die Loveparade wach. Damit war der Anti-AfD-Rave auch ein bisschen die Antithese zu den traditionellen, oft spaßfeindlich anmutenden linken Protestformen.

War die pulsierende Demonstration damit aber gleich unpolitisch? Nein. Die Kritik an der Rechtsaußen-partei wurde laut und deutlich nach außen getragen: auf Musikwagen, auf Schildern, auf Körpern. Die Parade war zudem ein Abbild der Berliner Partyszene - und die ist queer, international und divers. Diese Menschen sind vom Vormarsch der AfD besonders bedroht. Daher ist es wichtig, dass sie auf ihre Weise ein Zeichen gesetzt haben.

Die Partyszene hat geschafft, woran die radikale Linke meist scheitert: Menschen außerhalb ihrer heilen, linken Blase auf die Straße zu bringen. Viele Teilnehmende waren am Sonntag zum ersten Mal auf einer Demonstration und feierten feucht-fröhlich gegen Rechts. So geht Politisierung.

Diese Menschen hätten sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht von einem klassischen, linken Aufruf angesprochen gefühlt. Eine Linke, die nur um das eigene Nest fliegt, ist zum Scheitern verurteilt. Und die ewigen Nörgler müssen sich die Frage gefallen lassen, wann sie zuletzt innerhalb kurzer Zeit Zehntausende Menschen auf die Straße bekommen haben.

Es ist richtig, dass der Aufmarsch der AfD nicht gestoppt werden konnte. Blockaden und militantere Protestformen sind wichtig, aber eben auch nicht die Wunderformel für jeden Anlass. Gestern hat Berlins Feierszene ein lautes Signal gesendet und so demonstriert, wie es eben eine Feierszene macht: mit Bass, Dezibel und Rausch. Dass die AfD am Ende durch Berlin laufen konnte, sollten sich daher eher die Aktivist*innen ankreiden, die vorher zu Blockaden aufgerufen hatten. Nun reflexhaft die Partyszene anzugreifen, zeugt von einer gefährlichen Überheblichkeit. Denn: In Zeiten eines beängstigenden Rechtstrends muss die radikale Linke lernen, auch andere Protestformen anzuerkennen - wenn sie nicht irgendwann alleine dastehen will.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!