Mehr Dialog mit Moskau gewünscht
SPD-Vorstand beschäftigte sich mit parteiinternem Streit über Russlandpolitik von Außenminister Heiko Maas
Die SPD hat offensichtlich ihren Streit über die Russlandpolitik von Außenminister Heiko Maas bei der Vorstandssitzung am Montag entschärft. »Die deutsch-russischen Beziehungen haben für die SPD historisch und aktuell eine sehr hohe Bedeutung«, erklärte Generalsekretär Lars Klingbeil nach der Sitzung vor Journalisten im Berliner Willy-Brandt-Haus. »Wir wollen den Dialog mit Russland, wir suchen den Dialog mit Russland, und wir wollen, dass der Dialog verstärkt wird«, so Klingbeil.
Die harten Worte von Maas zu Beginn seiner Amtszeit gegenüber der russischen Regierung waren in Teilen der SPD auf Ablehnung gestoßen. Maas hatte Moskau unter anderem eine »Aggression« in der Ukraine und »zunehmend feindseliges« Verhalten vorgeworfen. Für Wirbel sorgte zudem, dass die Bundesregierung im März vier russische Botschaftsmitarbeiter »mit geheimdienstlichem Hintergrund« ausgewiesen hatte. Hintergrund dieser Entscheidung war der Giftanschlag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal in Großbritannien. Einige SPD-Politiker hätten sich von Maas mehr Zurückhaltung gewünscht.
Maas war unter anderem von SPD-Politikern kritisiert worden, die aus den ostdeutschen Landesverbänden stammen. Doch der Ton hat sich nach der Vorstandssitzung gewandelt. »Ich bin zufrieden, dass Heiko Maas diese Schritte geht, den Dialog nach vorne zu treiben, und ich hoffe, dass aus diesem Dialog wirklich auch Bewegung wird«, sagte Sachsens SPD-Landeschef Martin Dulig.
Maas hatte während der Sitzung erklärt, er wolle unter anderem möglichst noch vor der Sommerpause die seit 15 Monaten brachliegenden Vierer-Gespräche zum Ukraine-Konflikt (Russland, Ukraine, Frankreich und Deutschland) mit einem Treffen in Berlin wiederbeleben.
Auch die russische Seite hat nach eigenen Angaben keine Probleme mit dem deutschen Außenminister. »Die früheren Äußerungen haben wir natürlich gelesen und zur Kenntnis genommen«, sagte der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, gegenüber der dpa. »Aber ich finde, dass die Atmosphäre jetzt wieder positiv ist.« Mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow habe Maas kürzlich bei einem Treffen einige Vereinbarungen getroffen, »die den besten Traditionen unserer bilateralen Beziehungen folgen«, betonte der Botschafter. »Was den Besuch angeht, kann ich absolut klar sagen: Er war konstruktiv und substanziell und es fielen keine Begriffe wie Feindseligkeit oder Gegnerschaft.«
Manche SPD-Politiker erwecken den Eindruck, als wollten sie nun gar friedenspolitisch aktiv werden. »Panzer, die beiderseits der Grenzen auf- und abfahren, helfen uns nicht«, sagte der brandenburgische Regierungschef Dietmar Woidke den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Als Teil der US-Truppenbewegung »Atlantic Resolve III« rollen in diesen Wochen erneut Fahrzeuge und Panzer der US-Streitkräfte durch Deutschland. Sie werden an die Grenze zu Russland nach Polen und Litauen gebracht. Auch die Bundeswehr ist im Baltikum aktiv, um an der NATO-Ostflanke »Russland abzuschrecken«, wie es offiziell heißt. Die SPD hat diese Maßnahmen als Regierungspartei unterstützt.
Die Äußerungen von Woidke können nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele SPD-Politiker in Russland weiterhin vor allem einen geopolitischen Konkurrenten der Bundesrepublik sehen. Zur Debatte stehen die bisherigen Methoden, mit denen Moskau geschwächt werden sollte. So hatte sich der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius dafür ausgesprochen, die gegen Russland verhängten Sanktionen überprüfen zu lassen. Die deutsche Wirtschaft habe dadurch Schäden in Milliardenhöhe erlitten. Zugleich schienen die Sanktionen Präsident Wladimir Putin innenpolitisch gestärkt zu haben, sagte der SPD-Politiker kürzlich der »Süddeutschen Zeitung«. Dagegen wollte Maas die Sanktionen bislang aufrechterhalten.
Maas hatte in der SPD auch immer prominente Fürsprecher. So stand etwa die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles zu Beginn des Streits um die Russlandpolitik auf seiner Seite. Auch der für Außenpolitik zuständige Staatsminister Niels Annen verteidigte Maas am Montag in einem Fernsehinterview. Der Außenminister habe kürzlich beim Treffen mit Sergej Lawrow in Moskau »kein schwieriges Thema ausgespart«, sagte Annen gegenüber dem Fernsehsender Phoenix. Der Sozialdemokrat attestierte Moskau, in den Kriegen im Donbass und in Syrien sowie beim Atomdeal mit Iran »eine schwierige Rolle« zu spielen. Nichtsdestotrotz müsse man bei diesen Themen mit Russland im Dialog bleiben. »Genau das tut Heiko Maas derzeit«, erklärte Annen. Kommentar Seite 4
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