Superjahr für Lebensmittelhersteller
Ernährungsindustrie erzielt Rekordumsätze und wehrt sich gegen »Konsumlenkung«
Mit 179,6 Milliarden Euro Umsatz und einem Zuwachs von 4,8 Prozent konnte die deutsche Ernährungsindustrie 2017 ein Rekordergebnis erzielen. »Erfreuliche Zahlen und ein gutes Wachstumsjahr«, erklärte Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), am Montag in Berlin. Dabei profitiere die Lebensmittelbranche auch »von der steigenden Wertschätzung der Verbraucher«, so Minhoff. Die Preise für Lebensmittel erhöhten sich demnach im vergangenen Jahr um 1,8 Prozent. Im EU-weiten Vergleich liegen die Verbraucherpreise leicht über dem Durchschnitt.
Positiv entwickelten sich laut Branchenverband aber in erster Linie die Exporte. Diese legten um 6,3 Prozent auf 60,1 Milliarden Euro zu - sowohl inner- wie außerhalb des Binnenmarktes. Der Hauptabsatzkanal bleibe das Inland, hier stiegen die Umsätze um 4,1 Prozent auf 119,4 Milliarden Euro, so der BVE.
Die Exportquote der Ernährungsindustrie wuchs im Vorjahresvergleich noch einmal um 0,5 Prozentpunkte auf 33,5 Prozent an. Nach der EU (78,6 Prozent) sind China (2,0 Prozent), die USA (1,7 Prozent) und die Schweiz (1,6 Prozent) die wichtigsten Märkte für verarbeitete Lebensmittel. In diesem Zusammenhang verwies Minhoff auf die Handelsauseinandersetzungen zwischen den USA und der EU und forderte in den laufenden Gesprächen zwischen der Bundesregierung und den Vereinigten Staaten, die Lebensmittelbranche stärker mit einzubeziehen.
Minhoff, der sich schon zuvor gerne als Unterstützer von TTIP hervorgetan hatte, bedauerte erneut, dass das Investitionsschutzabkommen zwischen den USA und der EU nicht zustande gekommen ist und bekräftigte: »Handelsabkommen schaffen die Grundlage für die Exporte der klein- und mittelständischen Unternehmen.« EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hatten in der vergangenen Woche im Handelsstreit mit den USA ein »kleines TTIP« als mögliche Lösung ins Gespräch gebracht.
Nicht nur die Umsätze, auch die Beschäftigtenzahlen sind laut BVE gestiegen. Demnach stieg die Zahl der Beschäftigten 2017 um über 15 000 Stellen. Die insgesamt 6044 Betriebe beschäftigten somit 595 506 Arbeitnehmer. Knapp zwei Drittel der Angestellten in der Ernährungsindustrie arbeiten in tarifgebundenen Unternehmen, die Mehrheit der Beschäftigten arbeite unbefristet (92 Prozent) und in Vollzeit (86 Prozent), erklärte Stefanie Sabet, Hauptgeschäftsführerin der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss (ANG).
Die Arbeitgebervertreterin wandte sich entschieden gegen die geplanten Änderungen im Bereich von Befristungen und Teilzeit. Die spezifischen Gegebenheiten in den Betrieben müssten stärker berücksichtigt werden, so Sabet. Die Gewerkschaft Nahrung - Genuss - Gaststätten (NGG) fordert dagegen ein »Rückkehrrecht in Vollzeit«, damit die Beschäftigten ihre Arbeitszeiten je nach Lebenslage anpassen können und nicht in die »Teilzeitfalle« tappen.
Genervt zeigt sich die Ernährungsindustrie zunehmend von der »Kampagnenpolitik« der Verbraucherschützer. »Der Verbraucher bestimmt das Lebensmittelangebot«, so Minhoff. Deshalb wende sich der Verband entschieden gegen jede »Konsumlenkung«. Sowohl Ampelkennzeichnungen wie auch Vorschläge zu Vorgaben beim Zucker- oder Salzgehalt in Lebensmitteln lehnt der Branchenverband ab, weil damit in die unternehmerische Freiheit eingegriffen würde. »Nur die Hersteller können entscheiden, welche Innovationen sie an den Markt bringen, denn sie tragen das finanzielle Risiko.« Der Verbraucher habe die Wahl und könne sich eigenverantwortlich informieren und entscheiden. Zudem hätten die Hersteller längst auf deren Wünsche reagiert. Wie viele Produkte mit weniger Zucker hergestellt werden, konnte Minhoff nicht sagen, aber 62 Prozent der Neuerscheinungen auf dem Markt würden mit reduziertem Zucker- und Salzgehalt werben.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.