Der Rasen muss warten
Im Norden wird das Trinkwasser knapp und die Bauern bangen um ihre Ernte
«Wir mussten mit dem Wasser sparsam sein», erinnerte Entertainer Rudi Carrell 1975 in seinem viel gehörten Schlager «Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?» an Jahre, in denen in Deutschland Hitzewellen herrschten wie jetzt im Mai. Womöglich dachte der Sänger an den Supersommer 1959, in dem es tatsächlich Aufrufe zum Wassersparen gegeben hatte. Aber seitdem? Doch nun gibt es sie wieder: Appelle, das kühle Nass aus den öffentlichen Leitungen nicht unnötig fließen zu lassen.
Hintergrund solcher Bitten seitens der Versorgungsunternehmen, zumeist sind diese Unternehmen in kommunaler Hand, ist der Mangel an Regen. Rasenflächen brauchen ihn, Gärten ebenso, besonders deren Obstbäume. Doch die mit Gewittern verbundenen Schauer, die zurzeit mancherorts fallen, sind zwar sehr heftig, aber nur kurz und bringen zu wenig Feuchtigkeit in die Böden. Und so greifen viele Gartenfreunde zum Schlauch und spendieren ihrem Grün reichlich Trinkwasser. Zu reichlich. Denn das Wasser fehlt hier und dort, wo es von Mensch und Tier gebraucht wird.
Von solchem Mangel berichten dieser Tage besonders Bewohnerinnen und Bewohner des Nordens und der Heideregion Niedersachsens. Wasser in Küche und Bad träufele nur schwach aus den Hähnen, heißt es, und die gleichen Klagen sind von Landwirten zu hören, in deren Ställen ausreichend Wasser dringend notwendig ist.
Offenbar ist die Lage stellenweise so ernst, dass der «Trinkwasserverband Stader Land» - er versorgt eine an Hamburg und Elbe grenzende Region - per «Amtlicher Bekanntmachung» nun ein regelrechtes Verbot erlassen hat: Die Verwendung des Trinkwassers ist ab sofort «für Beregnungszwecke (außer Handgefäß), Wagenwaschen und für die Befüllung privater Schwimmbäder untersagt». Mit «Handgefäß» dürfte die Gießkanne gemeint sein. Wasserversorger sind durchaus berechtigt, eine solche Verfügung zu erlassen, besagt ein Bundesgesetz.
«Bis zum Ende der derzeitigen Trockenperiode», so ist in der «Amtlichen Bekanntmachung» aus Stade zu lesen, gelte das Verbot. Bei Bitten an die Verbraucherinnen und Verbraucher haben es bislang die Wasserlieferanten in der Heideregion belassen, so die Stadtwerke Böhmetal und der Versorgungsverband Fallingbostel. Die Beregnung von Grünflächen möge auf ein Minimum beschränkt, besser gesagt, eingestellt werden, hieß es. Auch das Befüllen von Pools solle vorerst unterbleiben, appellieren die Versorger an die Verbraucher. Zwar sei Grundwasser noch ausreichend vorhanden, aber: Das «Nadelöhr» seien die Wasserwerke, «die mit der schon seit mehreren Tagen extrem erhöhten Wasserabnahme nicht mehr nachkommen können».
Wann sich die Lage in puncto Wasserbedarf entspannen wird, ist kaum vorherzusagen. Im Norden dürfte weiter mit Trockenheit und damit auch mit hoher Waldbrandgefahr zu rechnen sein. Sogar sehr hoch ist sie nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes regional in Niedersachsen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie in Mecklenburg-Vorpommern.
Dort sorgen sich Landwirte angesichts des Regenmangels um ihre Ernte. Aus der Region Uecker-Randow wurden bereits Trockenheitsschäden auf den Feldern gemeldet. Raps, Weizen und Gerste seien besonders betroffen, ist zu erfahren. Und so vereint nicht nur im Nordosten die Bauern, Waldbrandverhüter und Wasserversorger derzeit ein Gedanke: «Wann gibt’s mal wieder richtig Regen?!
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