Aufhängen von Kreuzen und Kruzifixen rechtens?
Schon in Klassenzimmern in Bayern waren Kreuze ein Stein des Anstoßes. Nun werden in allen bayerischen Landesbehörden künftig Kreuze im Eingangsbereich hängen. Wie ist denn die Rechtslage hierfür?
Martha W., Oschersleben
Das Kreuz ist das zentrale Symbol des Christentums. Kreuze und Kruzifixe, die im Unterschied zu einfachen Kreuzen auch den gekreuzigten Jesus zeigen, gehören nicht nur zur üblichen Ausstattung von Kirchen. Sie hängen auch in Privathaushalten und öffentlichen Einrichtungen - insbesondere in Schulen und Justizgebäuden.
Das Aufhängen von Kruzifixen in deutschen Gerichten ist nicht einheitlich geregelt. Wenn das Kreuz im Gerichtssaal den religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen von Prozessbeteiligten entgegensteht, kann dies nach einem Urteil des Bundesverfassungsgericht von 1973 deren Recht auf Religionsfreiheit verletzen. Prozessbeteiligte können verlangen, das Kreuz in Verhandlungen abzuhängen. Das Grundgesetz garantiert Glaubens- und Gewissensfreiheit in Artikel 4.
In Deutschland ist das Anbringen von Kreuzen in Klassenzimmern einzig in Bayern gesetzlich geregelt. Die Vorschrift, dass in den Volksschulen des Freistaats ein Wandkreuz aufzuhängen sei, sei jedoch verfassungswidrig, stellte das Bundesverfassungsgericht 1995 unter Verweis auf die Glaubensfreiheit fest. Die Eltern hätten das Recht zu einer weltanschaulich neutralen Kindererziehung. Daraufhin führte Bayern die Widerspruchslösung ein. Wenn sich Eltern am Kreuz stören, kann es in Einzelfällen abgenommen werden.
2011 entschied der EuGH in Straßburg in letzter Instanz, dass Kruzifixe in italienischen Schulen die Menschenrechte nicht verletzen und somit hängen dürfen. Es stehe im Ermessen des Staates, wie sie ihren Erziehungsauftrag mit den Rechten der Eltern vereinbarten. Die EuGH-Urteile beziehen sich zwar auf den Einzelfall, doch die Länder des Europarats haben sich verpflichtet, sie als Auslegungshilfe zu respektieren. nd-ratgeberredaktion
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