Ein unerwartetes Geschenk

Deutsche Athletenvertreter wollen sich dem Einfluss des DOSB entziehen. Das nötige Geld dafür bekommen sie jetzt

Fechter Max Hartung kann kaum etwas überraschen. Für jeden Angriff kennt er eine Parade und darauf folgend die passende Konterattacke. Geschenkt wurde dem 28-jährigen Säbel-Europameister noch nie ein Sieg, auch nicht seitdem er 2017 Vorsitzender der Athletenkommission im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ist. Das Amt übt er lauter und konfrontativer aus als seine Vorgänger. Der Vorschlag, eine komplett unabhängige Athletenvertretung zu etablieren, stieß beim DOSB dann auch auf viel Gegenwind.

Den »Athleten Deutschland e.V.« gründeten Hartung und seine Mitstreiter trotzdem, aber eine Hürde blieb. Der Verein braucht Geld, DOSB und Sportpolitiker der Koalition wollten jedoch nichts zusätzlich zu den ohnehin für die DOSB-Kommission anfallenden Mittel zahlen. Eine Anschubfinanzierung von 250 000 Euro wurde aus dem vorläufigen Haushaltsplan fürs nächste Jahr gestrichen. Vor allem CDU und CSU waren im Bundestag gegen eine Ausgliederung der Athletenvertretung.

Anfang Juni schickte der DOSB ein Diskussionspapier mit drei Modellen zur Stärkung von Athletenrechten an die Sportler, darunter plötzlich auch »Szenario II«, das den Vorstellungen des Vereins entspricht. Die anderen Varianten, die eher eine Stärkung der DOSB-internen Kommission vorsahen, lehnte Hartung denn auch ab. »Es ist für uns essenziell, dass wir als eigenständig wahrgenommen werden«, schrieb Hartung an die DOSB-Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker. Für Athletinnen und Athleten könne man bei Themen wie sexualisierter Gewalt, Machtmissbrauch und Marketingrechten kein vertrauenswürdiger Partner sein, wenn der Dachverband Einfluss ausüben könne.

Der DOSB will die Entscheidung über die künftige Struktur nun angeblich den Athleten und Politikern überlassen. Und siehe da, am Dienstag lenkte auch die Unionsfraktion ein: »Wir werden uns für den Athletenverein einsetzen und dem Haushaltsausschuss vorschlagen, die Gelder zur Verfügung zu stellen. Ich halte es für nicht richtig, denke aber, es ist ein neuer Weg«, sagte der sportpolitische Sprecher der CDU, Eberhard Gienger. Der Gegner, der so lange hart gekämpft hatte, bietet auf einmal freiwillig die Brust an, und Hartung nimmt das Geschenk gern an: »Es sieht gut aus für die Athleten. Wir freuen uns, dass wir die CDU/CSU wohl doch von unserem Vorhaben überzeugen konnten, und dass auch für den DOSB eine unabhängige Vertretung ein denkbares Szenario ist.«

Der politische Druck ist augenscheinlich zu groß geworden, die besseren Argumente hatte ohnehin der Athletenverein. Der DOSB meint dagegen nur, dass eine Änderung von innen vielversprechender wäre, und dass der Status als Nationales Olympisches Komitee verloren ginge, sollte die Athletenvertretung ausgegliedert werden. Schließlich verlange das Internationale Olympische Komitee (IOC) von jedem NOK - in Deutschland also vom DOSB - eine eigene Athletenvertretung.

Ob das stimmt, ist fraglich, denn die IOC-Charta schreibt den Grad der Abhängigkeit der Kommission nicht vor. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hatte 2016 sogar erwähnt, dass die British Athlete Commission ein komplett vom Dachverband UK Sport unabhängiges Athletengremium sei, was das IOC seit dessen Gründung 2004 nie moniert habe. Sind die Ängste des DOSB also unbegründet? Nein, denn auch wenn UK Sport ähnlich dem DOSB die Staatsmillionen unter Sportlern und Verbänden verteilt, ist er nicht das NOK Großbritanniens. Das ist die British Olympic Association, und die hat eine Athletenkommission.

Diese wiederum hat jedoch kaum Macht in London, was sich immer häufiger an Beschwerden von Sportlern über die intransparente und fast schon unmenschliche Verteilung der Millionen zeigt. Nur wer Medaillen holt, bekommt Geld. Wer aufmuckt oder lange verletzt ist, verliert die Förderung. Die Chemnitzer Turnerin Sophie Scheder, die 2016 Olympiabronze gewann, danach aber für zwei Jahre wegen Krankheiten und Verletzungen ausfiel, hätte in England längst jegliche Unterstützung verloren. In Deutschland bezahlte ihr die Bundeswehr die Knieoperation. Und so forderte der »Guardian« im November 2017 eine britische Athletengewerkschaft: »Deutsche Sportler gründen gerade eine neue unabhängige Organisation. Wie lange muss es noch dauern, bis britische Athleten diesem Beispiel folgen?« Man fragt sich langsam, wer hier wem folgt.

Der Athletenverein will die DOSB-Kommission übrigens nicht ersetzen. Er wolle sie vielmehr finanziell und operativ in seiner Arbeit unterstützen, weshalb der NOK-Status nicht in Gefahr sei. Laut Vereinssatzung muss der Präsident auch immer der Kommissionsvorsitzende im DOSB sein. Das klingt zwar nach unnötiger Doppelarbeit, doch die nehmen die Sportler offenbar gern in Kauf.

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