Zehntausend demonstrieren am Grenzzaun von Gaza

Die Hamas hatte für den letzten Freitag im Ramadan zu Massenprotesten aufgerufen / Teilnehmerzahl blieb hinter Erwartungen zurück

  • Oliver Eberhardt, Jerusalem
  • Lesedauer: 3 Min.

Bis zum Nachmittag waren nach Schätzungen des Roten Halbmondes bis zu 10 000 Palästinenser an den Grenzzaun zwischen Israel und dem Gazastreifen gekommen. Allerdings wurde damit gerechnet, dass die Zahl der Teilnehmer weiter anwachsen würde - und damit auch die Gefahr von Todesopfern.

Per Lautsprecher und mit Flugblättern hatten Angehörige der Hamas, die den Gazastreifen regiert, die Menschen den ganzen Tag über dazu aufgefordert, zu den Protesten an der Grenze zu kommen, die Jahya Sinwar, Gaza-Chef der Hamas, Tage zuvor »Marsch der Million« getauft hatte. Der Anlass: Der Al-Kuds-Tag, der seit Ende der 70er Jahre alljährlich am letzten Freitag im Fastenmonat Ramadan auf Initiative der iranischen Regierung abgehalten wird - die muslimische Welt soll damit ihre Unterstützung mit den Palästinensern zeigen. Doch in der arabischen Welt spielen die Kundgebungen so gut wie keine Rolle. Auch in Palästina war nun zum ersten Mal überhaupt zu Massenprotesten anlässlich dieses Tages aufgerufen worden.

Sowohl in Gaza als auch in Israel wurde mit einer aufgeheizten Stimmung gerechnet. »Mit Fortschreiten des Fastenmonats Ramadan werden die Leute aggressiver, und wenn der Ramadan dann auch noch mitten in den Sommer fällt, dann ist das eine gefährliche Mischung«, sagt ein Sprecher des Roten Halbmondes, der sich auf viele Verletzte und auf Kreislaufzusammenbrüche eingerichtet hat.

Denn bei einer Protestserie am Grenzzaun, die seit Anfang April andauert, sind bislang mehr als 110 Menschen getötet und mehrere Tausend zum Teil schwer verletzt worden. Verantwortlich dafür ist vor allem ein Schießbefehl des israelischen Militärs: Die Soldaten dürfen tödliche Gewalt gegen jene anwenden, die sich dem Grenzzaun nähern.

Am Freitag hatte das Militär in den Morgenstunden mehr als 100 Scharfschützen an der Grenze positioniert, und bekannt gegeben, der Schießbefehl gelte weiterhin. Die Luftwaffe warf Flugblätter über dem Gazastreifen, darauf hieß es: »Lasst euch nicht zum Spielball der Hamas machen.«

Doch während die Zahl der Teilnehmer im Laufe des später werdenden Nachmittags weiter anwuchs, feuerten die Soldaten vor allem Warnschüsse in die Luft und benutzten Tränengas, um die Menge vom Zaun fern zu halten; die Demonstranten verbrannten alte Reifen. Mehr als 50 Menschen mussten mit Verletzungen der Atemwege behandelt werden. Darüber hinaus ließ man eine große Zahl von Winddrachen steigen, an denen Brandsätze befestigt sind. Die Hamas hatte angekündigt, man werde »Feuer auf Israel regnen lassen«.

Doch die eigentlichen Ziele, mindestens eine Million Menschen zur Teilnahme zu bewegen und die Proteste auch auf das Westjordanland und Ost-Jerusalem auszuweiten - in der Hoffnung, damit den eigenen Einfluss zu demonstrieren - wurde von der Hamas verfehlt: Jenseits der Gaza-Region blieb es ruhig. Nur in Hebron und Nablus gingen wenige Dutzend Anhänger der Hamas auf die Straße, und wurden umgehend von palästinensischen Sicherheitskräften vertrieben.

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