Flüchtlinge als Ablenkung für Sozialabbau

Kaum ein Tag vergeht in Österreich ohne neue Maßnahmen gegen Flüchtlinge und Migranten

  • Michael Bonvalot, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

Mitten in die türkischen Auslandswahlen hinein verkündete die österreichische Rechts-Regierung am vergangenen Freitag ihre nächste Maßnahme. Insgesamt sieben Moscheen sollen aufgelöst werden, dass sei eine »Maßnahme gegen den politischen Islam«. Zur Pressekonferenz angerückt war die gesamte Regierungsspitze mit Bundeskanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP, Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der rechtsextremen FPÖ sowie Innenminister und Ex-FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl.

Anlass der Debatte waren Fotos von Kindern, die im April aufgetaucht waren. Die Kinder waren, bekleidet mit türkischen Uniformen, in Moscheen zum Spielball nationalistischer Inszenierungen geworden. Verboten wurde nun allerdings die arabische Kultusgemeinde. Ebenfalls verboten wurde eine Moschee, die einer Abspaltung der faschistischen türkischen Grauen Wölfe nahe steht. Dort wird allerdings nur das Beten untersagt, die politischen Tätigkeiten dürfen weitergehen. Doch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan nahm den Ball dankbar auf, ihm könnte das Verbot bei den Wahlen nützen.

Für die österreichische Regierung jedenfalls ist die Inszenierung gelungen, auch der Boulevard nimmt sie dankbar auf. Der bekannt reaktionäre Kolumnist Michael Jeannée darf in der einflussreichen Krone verkünden, dass mit ÖVP und FPÖ die »schweigende Mehrheit im Land« nun »wieder eine Stimme« habe.

Parallel geht die Regierung gegen flüchtende Menschen vor. Ein Gesetzespaket mit neuen Verschärfungen im Fremdenrecht steht knapp vor der Beschlussfassung. Flüchtende Menschen sollen künftig teilweise für ihr Asylverfahren bezahlen müssen, bis zu 840 Euro sollen die Behörden den Betroffenen abnehmen können. Handys und Digitalkameras sollen überprüft werden können, um zu sehen, ob ein anderes Land für das Asylverfahren zuständig sein könnte.

Auch die Abschottung an den Grenzen wird verschärft, dabei gibt es eine enge Zusammenarbeit mit Deutschland. Seit Anfang Juni patrouillieren österreichische und deutsche Polizei gemeinsam im Grenzgebiet. Und sogar an der österreichisch-italienischen Grenze sollen künftig deutsche Polizisten ihren österreichischen Kollegen zur Seite stehen. Vor allem Güterzüge wollen die Polizisten kontrollieren, wie Thomas Borowik von der Polizeidirektion München erklärt. »Damit wollen wir die gefährlichen illegalen Einreisen auf Güterzügen frühzeitig unterbinden und Unfälle verhindern«, so Boworik. Dass die Menschen nicht so gefährlich reisen müssten, wenn sie legal einreisen dürften, ist keiner Erwähnung wert.

Auch eine »Neue Balkanroute« haben ÖVP und FPÖ ausgemacht. Vergangene Woche gab es deshalb eine Konferenz von Österreich und Balkan-Staaten in Sarajewo. Es ist allerdings unklar, eine solche Route überhaupt existiert. Albanische Zahlen, die der Kurier publiziert hat, sprechen von höchstens 2400 Menschen, die 2018 nach Albanien eingereist seien. Der größere Teil davon ganz legal. Mit dem ehemaligen Vizekanzler und Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek sagte dann sogar ein sehr unverdächtiger Zeuge im Rahmen einer Pressereise zur »Neuen Balkanroute« knapp: »Die gibt es gar nicht.«

Weit unauffälliger als beim Thema Migration gehen ÖVP und FPÖ hingegen beim Sozialabbau vor. So soll bereits vor dem Sommer die täglich erlaubte Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden angehoben werden. Zu diesem Thema gibt es allerdings bis dato keine prominent besetzten Pressekonferenzen.

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