Fischen am rechten Rand

Vorschlag der hessischen Justizministerin weckt Erinnerungen an Radikalenerlass

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Auslöser war in der vergangenen Woche der Vorschlag von Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU), vor einer Entscheidung des Richterwahlausschusses des Landes über die Annahme oder Ablehnung von Bewerbern beim Landesamt für Verfassungsschutz anzufragen, ob belastende Erkenntnisse über die Bewerber vorlägen. «Der Schaden, den bereits ein einziger verfassungsfeindlicher Richter dem demokratischen Rechtsstaat zufügen könnte, ist nicht zu unterschätzen», heißt es im Text einer Vorlage, die von der Hessin vergangene Woche bei der bundesweiten Justizministerkonferenz in Eisenach eingebracht worden war.

Dieser Vorstoß stieß nicht nur bei einigen Vertretern anderer Länder auf Skepsis. Er weckte in Hessen Erinnerungen an den Radikalenerlass von 1972, der in den 1970er und 1980er Jahren im Bund und in den Ländern zahlreiche Berufsverbote für Mitglieder und Sympathisanten linker Organisationen ausgelöst hatte. Als Folge wurden die Lebenspläne vieler tausend junger Menschen zerstört. Etliche leiden noch Jahrzehnte später an den Folgen, einige sind daran auch zerbrochen. Es traf damals Mitglieder verschiedener linker Organisationen, angehende Lehrer und Richter ebenso wie Lokführer der Bundesbahn oder Briefträger oder Fernmeldebeamte bei der damaligen Bundespost.

«Hier wird eine Gefährdungslage konstruiert, die überhaupt nicht existiert», gab der Landtagsabgeordnete Ulrich Wilken (LINKE) zu bedenken. Die Erfahrungen aus den 1970er Jahren lehrten, «dass die Maßnahmen sich mit großer Wahrscheinlichkeit vor allem gegen linke oder muslimische Bewerber oder Richter wenden». Vor allem angesichts der bevorstehenden Wahlen sei «dieses Fischen am rechten Rand brandgefährlich», so Wilken. Statt echter Unabhängigkeit der Justiz wolle die Ministerin die Richter «unter die zusätzliche Kontrolle des Innenministeriums stellen. Die drohende Repression gegen Andersdenkende könne Bewerber aus Furcht vor den Konsequenzen vor einem politischen Engagement abschrecken, warnte der Parlamentarier.

Auch die anderen Oppositionsparteien widersprachen Kühne-Hörmann. Abgeordnete Heike Hofmann (SPD) nannte deren Vorstoß eine »PR-Nummer wenige Wochen vor der Wahl« und warnte vor einer Anlehnung an den Radikalenerlass in Bund und Ländern vor 46 Jahren. FDP-Abgeordneter Frank Blechschmidt warnte vor einem »unbegründeten Generalverdacht« und bescheinigte der Ministerin »ein großes Misstrauen gegenüber der Richterschaft«. In einem »durchsichtigen Wahlkampfmanöver« wolle sie sich als Verteidigerin des Rechtsstaates darstellen und beschädige damit das Vertrauen in die rechtsprechende Gewalt. Ablehnung signalisierte auch Hessens Richterbund. »Wir reden über ein Problem, dessen Existenz noch nicht belegt ist«, so dessen Vorsitzender Daniel Saam. Das Risiko von Kühne-Hörmanns Vorhaben bestehe darin, dass es »ein Einfallstor für eine Einflussnahme auf die Auswahl von Richterinnen und Richtern und damit indirekt auf die richterliche Unabhängigkeit« darstelle. Es bestehe aber »keine Notwendigkeit, ein solches Einfallstor zu öffnen.«

Für eine Auflösung des Hessischen Landesamts für Verfassungsschutz plädierte Hessens Linksfraktionsvorsitzende Janine Wissler. »Der Verfassungsschutz ist die Sicherheitslücke im Kampf gegen Rechtsextremismus und gehört aufgelöst«, so Wissler in einer Rede beim Leipziger Bundesparteitag ihrer Partei. Sie spielte auf die fragwürdige Rolle von Mitarbeitern der Behörde im Zusammenhang mit der Neonaziterrorbande NSU und dem Mord an dem Kasseler Internetbetreiber Halit Yozgat im Jahre 2006 an.

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