Ein Währungsfonds für Europa

In Berlin, Paris und Brüssel wird derzeit heftig diskutiert, wie die Eurozone reformiert werden soll

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Yanis Varoufakis ist die Eurozone eine Fehlkonstruktion, deren Regeln hochverschuldete Länder gar nicht einhalten können. Damit Eurokritiker und Rechtspopulisten nicht weiter gestärkt werden, hat der griechische Ex-Finanzminister einen Vorschlag: Die Europäische Zentralbank könnte eigene Anleihen auf den Markt bringen und Lebensmittelgutscheine für arme Familien bezahlen, forderte Varoufakis am Dienstagsabend bei einer Veranstaltung des Ifo-Instituts in München. Zwar wird sein Vorschlag bei der Großen Koalition in Deutschland vermutlich kaum auf Gegenliebe stoßen, doch ist Varoufakis bei weitem nicht der Einzige, der über eine Umgestaltung der Eurozone nachdenkt. Frankreichs Präsident Emanuel Macron etwa fordert schon seit längerem mehr Europa. Doch wurde er mit seinen Reformvorschlägen immer von der Bundesregierung hingehalten.

Das Projekt, das wohl die meisten Chancen hat, umgesetzt zu werden, ist die Schaffung eines Europäischen Währungsfonds (EWF) ähnlich dem Internationalen Währungsfonds. Ein solcher Fonds soll in Not geratenen Staaten bei einer neuen Krise mit Krediten unter die Arme greifen können. Zuletzt ins Spiel gebracht hat ihn die EU-Kommission. »Nach den Krisenjahren ist es nun an der Zeit, Europas Zukunft in unsere Hände zu nehmen«, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Dezember vergangenen Jahres. »Das Dach sollte man am besten dann reparieren, wenn die Sonne scheint.« Für die Schaffung eines EWF will die Kommission den bereits bestehenden Eurorettungsschirm ESM umbauen. Neben der finanziellen Unterstützung von Krisenstaaten soll der EWF bei einer möglichen neuen Bankenkrise einspringen können. Um dies zu verwirklichen, schlug Juncker einen ganzen Fahrplan zur Vertiefung der Währungsunion vor. Er hofft, dass die EU-Mitglieder und das Europaparlament bis Mitte 2019 seinen Vorschlag annehmen, der auch die Installierung eines europäischen Wirtschafts- und Finanzministers vorsieht. Dieser soll gleichzeitig Vizepräsident der Kommission und Vorsitzender der Eurogruppe sein. Dies ist laut der Kommission im Rahmen der derzeitigen EU-Verträge möglich.

Forscher des Deutschen Instituts Wirtschaftsforschung berechneten in einer Studie, dass ein solcher Schlechtwetterfonds durchaus stabilisierend auf die Wirtschaft in der Eurozone wirken könnte. Sie gingen in ihrer Modellrechnung davon aus, dass alle Euroländer rund 0,4 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in den gemeinsamen Topf einzahlen. Das Ergebnis: Allein im ersten Jahr einer Rezession wäre der Rückgang der Wirtschaftsleistung um bis zu sieben Prozent geringer als ohne einen Fonds.

Mittlerweile befürwortet auch Bundeskanzlerin Angela Merkel einen EWF. Doch pocht sie auf die Einhaltung strikter Regeln im Gegenzug für Kredite für notleidende Länder. »Immer gegen Auflagen natürlich, in begrenzter Höhe und mit vollständiger Rückzahlung«, hob sie jüngst in einem Interview der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« hervor. Zudem soll der EWF nach dem Willen der Kanzlerin gemeinsam mit der EU-Kommission überprüfen, dass alle Euroländer die Regeln des Stabilitätspakts einhalten.

Für den LINKE-Europaabgeordneten Martin Schirdewan besteht das Hauptproblem der Eurozone hingegen im deutschen Exportüberschuss. »Das heißt zu allererst eben nicht, im Rest Europas zu sparen und zu kürzen. Das heißt, dass wir in Deutschland höhere Löhne brauchen«, so Schirdewan zur laufenden Debatte. »Wir benötigen öffentliche Investitionen in die Zukunftsfähigkeit der EU.«

Anders als Merkel will die Kommission die vorgesehenen Mittel aber nicht aus dem ESM nehmen, sondern einen eigenen, von ihr verwalteten Fonds einrichten, der im Wesentlichen aus dem EU-Haushalt abgesichert würde. Zwar ist im Koalitionsvertrag die Einrichtung eines Investitionshaushaltes vorgesehen, doch auf weniger Gegenliebe in der Union stößt die Forderung der Kommission und Frankreichs nach einem europäischen Wirtschafts- und Finanzminister samt eigenem Budget.

Auch die Frage, wie viel Geld die Eurozone zusätzlich bekommen soll, um stabiler zu werden, ist umstritten. Merkel spricht von einem »unteren zweistelligen Milliardenbereich« für ihren Investitionshaushalt. Juncker will weitaus mehr.

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