- Politik
- Italiens Regierung unter Druck
Streit um Rettungsschiffe weitet sich aus
Proteste gegen Hafenschließung der italienischen Regierung für zivile Helfer auf dem Mittelmeer
»Aprite i porti«, auf Deutsch »öffnet die Häfen«, lautet der Protestslogan, der in Dutzenden italienischen Städten derzeit gerufen wird. Die Demonstranten wenden sich gegen die Entscheidung des neuen Innenministers Matteo Salvini, die Häfen des Landes für Seenotretter zu schließen. Auch verschiedene Bürgermeister Süditaliens haben sich den Protesten angeschlossen. »Wenn ein herzloser Minister schwangere Frauen, Kinder, Alte, Menschen zum Sterben auf See lässt, wird Neapels Hafen sie willkommen heißen«, erklärte etwa Neapels Bürgermeister Luigi de Magistris auf Twitter. Die Stadtoberhäupter von Taranto, Trapani und Messina hatten sich ähnlich geäußert. Palermos Bürgermeister Leoluca Orlando nahm selbst an den Demonstrationen teil.
Auslöser der Proteste war die Entscheidung der italienischen und maltesischen Regierungen am Montag, dem Rettungsschiff »Aquarius« mit 629 Flüchtlingen an Bord die Einfuhr zu untersagen. Spanien stellte letztlich nach internationalem Druck einen Hafen zur Verfügung, das Schiff wird voraussichtlich am Samstag dort ankommen. Der politische Machtkampf über die Verantwortung der EU-Länder zur Flüchtlingsaufnahme läuft jedoch weiter.
Die italienische Regierung bestellte so am Mittwoch den französischen Botschafter ein. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte Italien wegen der Weigerung, die Flüchtlinge aufzunehmen, »Zynismus und Verantwortungslosigkeit« vorgeworfen. Rom reagierte verärgert. Die Regierung machte deutlich, dass Italien »keine heuchlerischen Lektionen« von Ländern wie Frankreich zum Flüchtlingsthema brauche. Paris ruderte darauf zurück. »Wir sind uns vollkommen der Belastung bewusst, die der Migrationsdruck für Italien bedeutet«, teilte die Sprecherin des Außenministeriums mit.
Der diplomatische Streit um die »Aquarius« ist nach den Worten des UN-Flüchtlingshochkommissars Filippo Grandi »tief beschämend«. »Ich schäme mich als Europäer, wenn ein Boot herumfahren muss und keinen Hafen hat, in dem es anlegen kann«, sagte Grandi am Mittwoch in Genf. »Die Rettung auf dem Meer ist sakrosankt, egal wer in einem Boot ist.« Sophie Beau, die Chefin der Hilfsorganisation SOS Mediterranée, die gemeinsam mit Ärzte ohne Grenzen die »Aquarius« betreibt, äußerte ebenfalls ihr Unverständnis: »Die Untätigkeit Europas ist kriminell.«
Allein am Dienstag kamen nach ihren Angaben mindestens zwölf Flüchtlinge bei einem Schiffbruch ums Leben, weitere 41 konnten von der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch und einem Schiff der US-Marine gerettet werden. Durch die Überfahrt der »Aquarius« nach Spanien fehlten nun Helfer vor der libyschen Küste, fügte Sophie Beau hinzu. Dadurch drohten »angekündigte Todesfälle«.
Dem Rettungsschiff »Sea Watch 3« droht derweil ebenfalls Gefahr. Italien und Malta haben sich laut dem Sprecher der Hilfsorganisation, Ruben Neugebauer, für die 41 geretteten Flüchtlinge an Bord des Schiffes bisher nicht zuständig erklärt. »Niemand übernimmt Verantwortung. Wir schweben in der Luft«, sagte der Sprecher. Die »Sea-Watch 3« sei derzeit das einzige Rettungsschiff im zentralen Mittelmeer, das aktiv Einsätze fahren könne. »Es herrscht ein Riesenmangel an Rettungskräften.« Mit Agenturen
Lesen Sie auch: Die letzten Helfer – Diese Organisationen sind noch auf Rettungsmission vor die Küste Libyens
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