Dicht an Merkels Seite
SPD und Grüne ergreifen im Asylstreit Partei für die Position der Bundeskanzlerin
Die Sozialdemokraten haben sich im Asylstreit bisher zurückgehalten. Sie schauten zu, wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aneinandergerieten und der Konflikt sich rasch zu einer existenziellen Krise der Union ausweitete. Die SPD schien gut damit beraten zu sein.
Doch ganz unbeteiligt ist die Partei natürlich nicht. Schließlich forderte ihr christsozialer Koalitionspartner von einem Tag auf den anderen nichts weniger als eine komplette Neuordnung des Asylsystems ein. Als die Unionsfraktion am Donnerstag darum bat, die laufende Bundestagssitzung zu unterbrechen, um über den eskalierenden Konflikt zu beraten, zog sich auch die SPD zu einer Sondersitzung zurück.
Im Anschluss daran erteilte die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles dem CSU-Vorstoß eine klare Absage. Sie forderte außerdem die Union dazu auf, die internen Streitigkeiten umgehend zu einzustellen. Die Position der SPD ist klar. Sie hält an den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zum Thema Migration und Asyl fest. Darin bekannte sie sich zu Rückführungen, stimmte den umstrittenen AnKER-Zentren zu und schlug vor, ein Einwanderungsgesetz zu erarbeiten.
Im Blick auf die bayerische Landtagswahl im Oktober setzte Nahles noch einen Seitenhieb gegen die CSU: »Theaterstücke im Dienste von Landtagswahlen sind hier nicht angemessen.« Die CSU versuche, mit einer harten Linie in der Asylpolitik dort ihre Mehrheit im Landtag zu verteidigen. Die Sozialdemokraten haben sich damit positioniert. Sie stehen dicht an der Seite Merkels.
Auch die Grünen sind besorgt über den heftig geführten Unionsstreit. Für die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt steht mit dem Seehofer-Vorstoß, Asylsuchende bereits an den Grenzen abzuweisen, auch Grundsätzliches auf dem Spiel: »Jetzt geht es um eine Entscheidung für ein starkes Europa der Solidarität, Humanität und des Rechtsstaates oder für den Verrat all dieser Werte«, sagte sie. Geradezu verärgert über den Asylstreit reagierte Anton Hofreiter. Der grüne Fraktionschef appellierte an Seehofer, seine »Störmanöver« sofort zu beenden. Er solle sein Amt als Innenminister nicht als »CSU-Wahlkampfminister« zu missbrauchen.
Distanzierter dagegen äußerten sich Spitzenpolitiker der Linkspartei. Katja Kipping twitterte: Anlässlich der Sondersitzung gegen den Willen der Kanzlerin zeige sich, »wie dünn das Eis ist, auf dem sich diese Regierung bewegt«. Die Parteichefin befürchtet nun, »die ohnehin rechte Union rücke noch weiter nach rechts«. Fraktionschef Dietmar Bartsch spricht indes von »Chaostagen bei Schwarz-Rot« und mutmaßt, dass Merkel »offensichtlich nicht mehr fähig« sei, Führung zu übernehmen. Das müsse dringend ein Ende haben, forderte er.
FDP-Chef Christian Lindner zeigte sich von dem Regierungsstreit demonstrativ ungerührt. »Ich erwarte einen weichen Kompromiss der Union«, so seine Einschätzung. Lindner selbst warb für eine kurzfristige Intervention von Seehofer - obwohl er eigentlich nichts von nationalen Alleingängen halte. Langfristig unterstütze er daher ein europäisches Asylsystem mit einer Kontrolle der EU-Außengrenzen.
Erfreut über den Asylstreit ist dagegen die AfD. »Dass es die Debatte um Masterpläne in der Migrationspolitik überhaupt gibt«, sei seiner Partei zu verdanken, meinte ihr Vorsitzender Alexander Gauland. »Seehofer würde niemals den Konflikt mit der Kanzlerin in dieser Art und Weise suchen, säßen wir ihm nicht im Nacken. Meine Ankündigung am Wahlabend, dass wir sie jagen werden, zeigt schon jetzt große Wirkung.«
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