Ende tödlich und Ende gut
In der Schaubude zeigen Studierende der Puppenspielkunst »Das große Massakerspiel« von Eugène Ionesco
Allzu oft kommt das Werk nicht auf die Bühne. Und wenn doch, dann wird es auf sehr unterschiedliche Art von Regisseuren inszeniert. Das bietet sich auch an bei Eugène Ionescos Stück »Das große Massakerspiel«, in dem die Abfolge der verschiedenartigen Szenen veränderbar ist.
Die Studioinszenierung mit Studierenden des dritten Studienjahres der Zeitgenössischen Puppenspielkunst an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« folgt unter Regie von Ariane Kareev dem Dramatiker des Absurden, ohne den angebrachten Ernst zu vernachlässigen.
Und so nehmen die Akteure per Beatboxing das Publikum mit in die von Militär umstellte Stadt im Ausnahmezustand. Eine unbekannte, jedermann dahinraffende Krankheit ist dort ausgebrochen. Die Bewohner sind von der Umgebung abgeriegelt, aufgegeben. Grotesk ist angelegt, wie die Städter mit diesem Totentanz umgehen. Ihre Situation ist ausweglos. Sie suchen in zahlreichen Konstellationen nach Schuldigen und demontieren nach Leibeskräften, was noch funktioniert.
Demgegenüber steht in dieser Produktion das Aufeinanderangewiesensein der Studierenden Moritz Ceste, Maria Dietze, Paul Hentze, Josephine Hock, Karoline Hoffmann, Linda Mattern, Maurice Voß und Sarah Zastrau im Spiel: Zu zweit, zu dritt, mitunter sich auf Händen und Füßen bewegend, arbeiten sie gemeinsam mit den Puppen, die Ulrike Langenbein für das Stück so baute, dass der die groteske Handlung tragende Gedanke sich noch verstärkt. Zumal sich die Puppen auch noch in Rümpfe und Stümpfe auseinandernehmen lassen.
Dazu passt das an eine industrielle Lüftungsanlage erinnernde Bühnenbild von Lina Nguyen. Der Metallbau wird zerlegt und als Objekt benutzt. Eine alte Frau karrt ihren Mann wie in einer Lore durch die Gegend. Von großer Liebe spricht die Marionettengreisin. Seit Jahrzehnten, lässt sich vermuten. Der alte Zausel will das starke Gefühl nicht zugeben. Wahrscheinlich geht das auch schon seit Jahrzehnten so. Erst als seine Elisabeth stirbt, bricht es aus Josef heraus: Er kann und will ohne sie nicht leben. Sehr schön gespielt und gesprochen ist diese Szene.
Auch gut gemacht von der Regie ist jene Szene, die zeigt, wie der Tod anfangs in die Stadt kommt. Weiblich, schön, unberührbar ist die Gestalt. Still geht sie am Ende an den Zuschauern vorbei aus dem Saal.
Die Studierenden zeigen, dass sie mit Puppen, Objekten und Masken umgehen können. Sie lassen sogar einen der Schutzanzüge (Kostüme: Julia Denzel) tanzen. Enden auch alle Szenen tödlich - die Premiere endete mit großem Applaus.
Seit Jahren arbeitet die Schaubude gut mit der Puppenspielkunstabteilung der Hochschule zusammen und bietet den Studierenden die Gelegenheit, ihr Können öffentlich zu präsentieren. Das findet beim Publikum großen Zuspruch. Und immer wieder nehmen junge Absolventen den Weg in dieses Theater mit dem Wunsch, ihre Stücke vorzustellen.
Die Schaubude feierte gerade ihren 25. Geburtstag. Viele Gratulanten waren zur Stelle. Auch viele, die sich daran erinnerten, dass die Bühne durchaus existenziell schwere Zeiten bewältigt hat. Die früheren künstlerischen Leiter Gerd Taube und Silvia Brendenal, die dem Haus zu internationalem Ruf verhalfen, ließen es sich nicht nehmen, beim Jubiläum dabei zu sein.
Seit 2015 führt Tim Sandweg mit seiner Stellvertreterin Silke Haueiß das Haus. Neue Ideen kamen hinzu, 2017 auch der Theaterpreis des Bundes, der sogenannte Ermutigungspreis. Reichlich Mut bewies das kleine Team indes immer mit Festivals und Spezialprogrammen. Am letzten Junitag steht wieder etwas Besonderes auf dem Spielplan. Da gibt es die dritte Lange Nacht der freien Puppen- und Figurentheater Berlins.
Nächste Vorstellungen: 15. und 16. Juni
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