Platzt Tschechiens Regierung?

Streit um den Außenministerkandidaten Miroslav Poche bringt Koalitionspläne ins Wanken

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Regierungsbildung in Tschechien bleibt trotz der Zustimmung der Sozialdemokraten eine Hängepartie. Landesweit wurde die sozialdemokratische Basis befragt, ob sie einer Minderheitsregierung unter Führung des Agromilliardärs und Chef der Bewegung unzufriedener Bürger ANO, Andrej Babiš, zustimmen würde. Die Entscheidung fiel relativ knapp aus: 58,7 Prozent der befragten Mitglieder stimmten für ein solches Kabinett, das im Parlament von den Kommunisten geduldet würde.

Doch fraglich ist nun, ob die Regierung überhaupt zustande kommt. Die CSSD stellt fünf Minister, unter ihnen ist der Kandidat für das Außenministerium, Miroslav Poche. Doch weder Regierungschef Babiš, noch Staatspräsident Miloš Zeman wollen diese Personalie akzeptieren. Und auch die kommunistische Fraktion im Abgeordnetenhaus erklärte, dass sie die Regierung mit Poche als Minister nicht dulden werde.

Jan Hamáček, Chef der Sozialdemokratie, erklärte derweil am Sonntagvormittag, die Partei sehe keine Möglichkeit, ihren Kandidaten zurückzuziehen. Vor allem im mittelböhmischen Bezirk sowie in der Hauptstadt Prag hatte die CSSD Unterstützung für die Regierungsbildung erfahren. Und gerade von hier kommt der Europaabgeordnete Miroslav Poche.

Der Zwist zwischen Premier, Präsident und den Sozialdemokraten entzündete sich daran, dass Poche sich für eine liberale Flüchtlingspolitik einsetzt. Zudem hatte er sich während der jüngsten Präsidentenwahl deutlich für den Gegenkandidaten Zemans, Jiří Drahoš, eingesetzt, der mit fast 49 Prozent der Stimmen nur knapp unterlag.

Doch außer dem persönlichen Ärger des als nachtragend bekannten Präsidenten, spielt seine antiislamische und flüchtlingsfeindliche Einstellung eine große Rolle bei der Ablehnung des sozialdemokratischen Kandidaten. »Wir brauchen im Außenamt keinen Gutmenschen«, erklärte Zeman der Presse.

Der Chef der Prager Sozialdemokraten, Petr Pavlik, erklärte, man werde den Vorschlag nicht zurückziehen. Babiš werde mit der gemeinsam ausgehandelten Ministerliste zum Sommersitz Lany des Präsidenten fahren, um die Bestätigung der Regierung zu erzielen.

Verfassungsrechtler Jan Kysely erklärte, eine Ablehnung Poches seitens Zemans sei verfassungswidrig. Der Präsident hätte nur bei schwerwiegenden Gründen die Option, einen vorgeschlagenen Minister nicht zu nominieren. Dies liege im aktuellen Fall Miroslavs Poches jedoch nicht vor.

Sollte der Präsident dennoch die Ernennungsurkunde nicht unterschreiben, würde die sozialdemokratische CSSD eine Verfassungsklage einreichen. Bis das Gericht in Brno dann entschieden hat, würde Babiš wohl weiter nur geschäftsführender Regierungschef sein.

Doch selbst wenn die jetzt vorgeschlagene Liste von Präsident Miloš Zeman abgesegnet wird, bleibt offen, ob die neue Administration das Vertrauen des Abgeordnetenhauses erhält. Babiš plante, bis Mitte Juli eine funktionierende Regierung aufzustellen - sollten die Abgeordneten dem jedoch nicht folgen, wären Neuwahlen unausweichlich. Die Situation in Prag bleibt vorerst ungeklärt.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.