- Politik
- Wahl in der Türkei
Demirtas attackiert Erdogan aus Gefängniszelle heraus
Inhaftierter HDP-Kandidat: »Der einzige Grund, aus dem ich hier bin, ist, dass die AKP Angst vor mir hat«
Istanbul. Der im Gefängnis sitzende türkische Präsidentschaftskandidat Selahattin Demirtas hat in einem vom Staatsfernsehen übertragenen Beitrag den amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan attackiert. »Der einzige Grund, aus dem ich hier bin, ist, dass die AKP Angst vor mir hat«, sagte Demirtas am Sonntag mit Verweis auf Erdogans Partei und warf ihr »repressives« und »autokratisches« Regieren vor.
Demirtas, Kandidat der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP), trug bei dem Auftritt einen dunklen Anzug. Der staatliche Sender TRT hatte den Beitrag in der Zelle des Gefängnisses im nordwesttürkischen Edirne aufgezeichnet, weil die Behörden ihm eine Fahrt zum Studio des Senders in Ankara untersagt hatten.
Dem Sender TRT war vorgeworfen worden, in aller Breite über den Wahlkampf Erdogans zu informieren, andere Kandidaten, aber vor allem die HDP und Demirtas, zu ignorieren. Es war das erste Mal, dass sich ein Kandidat aus der Gefängniszelle heraus äußerte.
In der zehnminütigen, aufgezeichneten Wahlkampfrede im Staatssender TRT, die ihm per Gesetz zusteht, warnte Demirtas am Sonntag vor einer »Ein-Mann-Herrschaft« des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
»Das, was wir derzeit erleben, ist ein Element eines autokratischen Regimes. Aber der gruselige Teil des Films kommt erst noch«, sagte Demirtas. Er rief die türkischen Wähler auf, bei der Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag »die Freiheit« zu wählen.
Gewinne Erdogan und seine islamisch-konservative Partei AKP die Wahlen am 24. Juni, hänge das Schicksal der Türken »vollständig an der Gnade einer Person«, sagte Demirtas. Die Türkei werde sich in ein »autoritäres, tyrannisches und von der Demokratie abgerissenes Land« verwandeln. Seine Partei HDP dagegen stehe für Demokratie, so Demirtas.
Die Parlaments-und Präsidentenwahlen in der Türkei finden gleichzeitig statt. Demirtas hatte bislang nur indirekt Wahlkampf geführt. Er gab etwa Interviews über seine Anwälte oder ließ durch seine Mitarbeiter Twitter-Nachrichten versenden.
Der ehemalige HDP-Chef ist seit November 2016 im westtürkischen Edirne inhaftiert. Ihm werden unter anderem Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Demirtas sagt, die Vorwürfe gegen ihn seien haltlos und das Verfahren gegen ihn ungerecht. Er wirft dem Gericht vor, aufgrund politischen Drucks, die Untersuchungshaft aufrechtzuerhalten. Der 45-jährige Anwalt sitzt unter anderem wegen des Vorwurfs »terroristischer« Aktivitäten seit November 2016 in Untersuchungshaft. Ihm drohen mehr als 142 Jahre Haft. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.