Große kommen billig weg
Investoren können sich mittels Share Deals wohl weiter um die Grunderwerbsteuer drücken
Was für Kleine gilt, gilt nicht unbedingt für Große. Finanzinvestoren sollen aber laut einem Beschluss der Finanzminister weiterhin keine Steuern zahlen, wenn sie Grund und Boden kaufen.
Von Hermannus Pfeiffer
Thomas Schäfer hat sogenannten Share Deals den Kampf angesagt. Mit scharfen Worten hatte sich Hessens Ressortchef am Vortag der Länderfinanzministerkonferenz in Berlin zum Thema Immobilienkauf durch Finanzinvestoren gemeldet. Diese können die an sich fällige Steuer nämlich leicht umschiffen. Dadurch entgehen dem Staat schätzungsweise bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr. Mittelfristig sei sogar eine umfassende Neuausrichtung der Grunderwerbsteuer denkbar, so Minister Schäfer (CDU). »Wer meint, dem Staat Steuer vorenthalten zu können, muss mit einer entschlossenen Antwort genau dieses Staates rechnen.«
Wer ein Grundstück kauft, zahlt normalerweise Grunderwerbsteuer. Je nach Bundesland beträgt der Steuersatz zwischen 3,5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises. Die Einnahmen der Finanzämter erhalten die Bundesländer, die damit ihre Kommunen finanzieren. Allerdings entfällt die Steuer, wenn ein Käufer höchstens 94,9 Prozent an einer »Objektgesellschaft« erwirbt, der das Grundstück gehört. Eine solche Gesellschaft zu gründen, lohnt sich naturgemäß nur für größere Projekte. Daher profitieren von diesem Steuerprivileg fast ausschließlich große Immobilienunternehmen sowie Finanzinvestoren aus dem In- und Ausland.
Mit Maßnahmen gegen diese umstrittene Ausnahme beschäftigten sich die Politiker auf ihrer Finanzministerkonferenz in der vergangenen Woche. Heraus kam ein Kompromiss, welcher das Steuersparmodell Share Deal nur ein wenig erschwert. Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) spricht von einem »Teil- erfolg«.
Die Minister einigten sich darauf, die Schwelle, ab der die Käufer Steuern zahlen müssen, auf 89,9 Prozent abzusenken. Die restlichen Anteile darf der Käufer erst nach zehn Jahren - statt wie bislang nach fünf - übernehmen. Dadurch sollen Immobilienspekulationen in den Großstädten aufwendiger und damit weniger attraktiv werden.
»Wenn jeder Normalo Grunderwerbsteuer zahlen muss, bei millionenschweren Immobilienkäufen aber die Abgabe ans Gemeinwesen umgangen werden kann, dann ist das ungerecht«, lobt Finanzminister Schäfer den Beschluss. »Wir tun jetzt, was getan werden kann, und möchten mithilfe des Bundes unsere Vorschläge zum Gesetz machen: zügig und rechtssicher.«
Schäfer verweist auf eine verfassungsrechtliche Prüfung, die angeblich ein härteres Vorgehen verhindert habe. Im April hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bereits die jetzige Grundsteuerpraxis für verfassungswidrig erklärt. Karlsruhe rügte den veralteten Einheitswert im Westen. Die Regierung muss die Reform bis Ende 2019 vorlegen. Für die Umsetzung bleibt Zeit bis Ende 2024.
LINKE und Grüne kritisieren die Einigung der Länderfinanzminister. Bei den »Mini-Korrekturen« handele es sich zwar um einen Schritt in die richtige Richtung - die Maßnahmen reichten aber bei Weitem nicht, um das Steuerschlupfloch zu schließen, erklärte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lisa Paus. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags habe ergeben, dass eine Absenkung der Anteilsschwelle auf 75 Prozent verfassungsrechtlich »machbar«, auf 51 Prozent »denkbar« wäre.
»Halbherzig« nannte auch der LINKE-Finanzexperte Jörg Cezanne die Verschärfung. Selbstverständlich müssten verfassungsrechtliche Grenzen bedacht werden. »Aber der Staat kann doch nicht tatenlos zusehen, wie finanzstarke Immobilieninvestoren diese Grunderwerbsteuer systematisch umgehen.«
Der Soziologe aus Frankfurt schlägt ein »quotales Besteuerungsverfahren« vor. Dabei wird anteiliger Grunderwerb auch anteilig besteuert. So würden bei Übernahme von mehr als 50 Prozent einer Grundstücksgesellschaft auch 50 Prozent der entsprechenden Grunderwerbsteuer fällig, bei Erwerb von mehr als 75 Prozent entsprechend 75 Prozent. Auch zu diesem Modell hätten die Länderfinanzminister ein Rechtsgutachten eingeholt, so Cezanne, welches die Chancen als durchaus positiv bewerte.
Auch die Immobilienbranche sieht die geplante Reform kritisch - aus anderem Grund: »Schon jetzt ist ein Investor, der in Deutschland ein normales operatives Unternehmen kauft, in der Regel mehr als verwundert, wenn er erfährt, dass er durch den Ankauf auch zum Schuldner der deutschen Grunderwerbsteuer wird«, meint Tobias Schneider von der Kanzlei CMS Deutschland. Die beabsichtigten Änderungen führten außerdem zu einer Steigerung der Erwerbsnebenkosten und dürften von den Investoren durch eine Erhöhung der Mieten an die Mieter weitergegeben werden. Jetzt liegt der Ball beim Bundesfinanzministerium. SPD-Minister Olaf Scholz soll die Änderungsvorschläge der Länderminister in das Gesetzgebungsverfahren einbringen.
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