Erste Ernte im Eis
Bremer Forschern gelang es, in der Antarktis Gemüse zu züchten
Gemüse und Obst aus der Antarktis? Auf dem höchstgelegenen, trockensten, kältesten und windigsten Kontinent der Erde? Wo im Winter die Temperaturen auf fast minus 50 Grad sinken und der Kontinent über sechs Monate hinweg in völlige Dunkelheit getaucht ist? Die Idee hört sich verrückt an. Doch Forschern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bremen ist das Experiment gelungen.
Die Wissenschaftler ernten derzeit pro Woche im Schnitt 740 Gramm Tomaten, 1,8 Kilogramm Gurken und 400 Gramm Kohlrabi aus dem Gewächshaus. Dazu kommen verschiedene Kräuter, Salate und Radieschen. »Besonders gut gedeihen Gurken«, sagt Projektleiter Daniel Schubert. Paprika und Erdbeeren dagegen seien anspruchsvoller in der Pflege.
Doch selbst Gurken in der Antarktis zu züchten, ist eine aufwendige Angelegenheit. »Etwa die Hälfte meiner Zeit bin ich mit der Aussaat, Pflanzenpflege und der Ernte beschäftigt«, sagt Paul Zabel, der sich dem Gewächshaus in der Antarktis angenommen hat. Die andere Hälfte der Zeit kümmere er sich um die technischen Systeme des Gewächshauses und um Experimente.
Das Gewächshaus, das eine Anbaufläche von etwa 13 Quadratmetern hat, arbeitet dabei mit einer neuen Technik namens Aeroponik. Dabei werden Pflanzen ohne Erde in einem sterilen Umfeld gezüchtet. Per Computer wird gesteuert, zu welchen Zeiten die Pflanzen mit einem Wasser-Nährstoffgemisch besprüht werden. Auch der Tag-Nacht-Rhythmus wird künstlich gesteuert: 16 Stunden lang herrscht Tag, acht Stunden lang Nacht.
Da das Gewächshaus 400 Meter von der deutschen Neumayer-Station III entfernt ist, kann das Wetter den Forschern durchaus mal einen Strich durch die Rechnung machen. Mitte Juni hätte es beispielsweise mehrere Tage lang gestürmt, berichteten die Forscher. In dieser Zeit mussten sie das Gewächshaus drei Tage lang aus Bremen steuern und überwachen. Denn am Bremer DLR-Institut für Raumfahrtsysteme ist das Kontrollzentrum des Antarktisgewächshauses eingerichtet. Von dort aus können die Forscher per Videokonferenz mit Paul Zabel vor Ort sprechen und bekommen auch Bilder und technische Daten aller Pflanzen im Gewächshaus übermittelt.
Das Experiment liefert nicht nur frisches Obst und Gemüse für die zehn Überwinterer auf der Antarktisstation, es zeigt auch, wie die zukünftige Nahrungsmittelproduktion in klimatisch anspruchsvollen Regionen der Erde oder auf dem Mond oder Mars aussehen könnte. So hat das Gewächshaus einen vollständig geschlossenen Luftkreislauf, inklusive einer Schleuse, durch die der Forscher das Gewächshaus betreten und verlassen kann. Durch den geschlossenen Kreislauf kann sämtliches Wasser, das die Pflanzen an die Luft abgeben, wieder aufgefangen und ihnen später erneut zugeführt werden.
Der derzeitige antarktische Winter ist ein wichtiger Härtetest für das Experiment. In den vergangenen Wochen hatte Zabel gleich mehrere technische Probleme, darunter den Ausfall eines Regelungsventils im Kühlsystem, eine kaputte LED-Lampe und Probleme mit dem Steuerungssystem. Eine wichtige Lernerfahrung in Zabels Augen - denn ein zukünftiges Gewächshaus auf einem anderen Planeten müsse ja auch einmal durchgehend in Betrieb sein, wie er sagt. »Daher sind die technischen Ausfälle und deren Reparatur wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse für uns.«
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