Diagnose: multipler Ärger
Unimedizin Rostock beschäftigt die Justiz
An multiplem Ärger leidet derzeit das größte Krankenhaus Mecklenburg-Vorpommerns, die Universitätsmedizin Rostock (UMR). Ihrem ärztlichen Direktor und Vorstandsvorsitzenden Christian Schmidt werden fragwürdige Geschäftspraktiken und seltsame Beraterverträge vorgeworfen. Verbindungen zu Firmen in einer Steueroase beschäftigten sogar den Landtag, die Millionenklage eines Krankenhauskonzerns bereitet Schmerzen und offenbar akut sind Missstände, die ihre Ursache in der Überlastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben.
Ihren Chef Schmidt, hat der Aufsichtsrat des Krankenhauses zurzeit von der Arbeit freigestellt. Das Gremium will prüfen, ob und inwieweit die Hinweise auf mögliche Verfehlungen des Professors zutreffen. Da ist unter anderem die Anschuldigung, er habe für die Klinik einen Vertrag mit einer Berliner Software-Firma abgeschlossen - und von dieser dann privat Geld bekommen. Oder der Vorwurf, Schmidt sei in die Weitergabe von Patientendaten an Unternehmen involviert gewesen, desgleichen womöglich in Geschäftsbeziehungen der landeseigenen Klinik zu einer Firma, die im Steuerparadies Jersey ansässig ist und zu deren Gruppe auch Vertreiber von Medikamenten, Prothesen und Verbandsstoffen gehören.
Dass dieser Kontakt bestand, bestätigte Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Birgit Hesse (SPD) unlängst im Landtag auf Anfrage der LINKEN. Inzwischen aber sei diese Verbindung gelöst worden. Sie hatte für Unmut gesorgt, lokale Anbieter warnten: Sofern die Unimedizin künftig bei den mit Jersey verbandelten Unternehmen kaufe und nicht in Rostock, seien in der Stadt rund 600 Arbeitsplätze bedroht.
Ob auch Schmidts Arbeitsplatz gefährdet ist, hängt von den Untersuchungen des Aufsichtsrates ab. Der hat damit eine Anwaltskanzlei beauftragt, will offenbar hieb- und stichfeste Beweise haben, falls sich die Vorwürfe bewahrheiten. Die Trennung vom derzeitigen Chef könnte aber mit einer hohen Abfindung verbunden sein: Immerhin, so war zu erfahren, beziehe Schmidt ein Jahresgehalt von rund 330 000 Euro - und sein Vertrag läuft bis 2024.
Mit welchen Vorwürfen gegen Schmidt sich nun auch die Staatsanwaltschaft beschäftigt, sagt sie nicht. Doch gebe es in Medien Hinweise auf »korruptives Verhalten«, zitiert die »Ostsee-Zeitung« einen Sprecher der Anklagebehörde. Sie habe deshalb vom Aufsichtsrat »sämtliche Unterlagen zu der Causa« angefordert. Zu ihr will neben den Strafverfolgern auch die Ärztekammer genaue Informationen haben und begründet: Sie müsse überwachen, ob Ärzte ihre Berufspflichten einhalten.
Doch nicht nur die Staatsanwaltschaft, auch andere Stellen der Justiz befassen sich mit der UMR, denn: Der Krankenhauskonzern Helios hat die Klinik verklagt. Er will 2,7 Millionen Euro für gemeinsame erbrachte Leistungen bei Herzoperationen von ihr haben. Die Rostocker aber verweigern die Zahlung mit dem Argument, Helios habe Gespräche über neue Vertragspreise abgelehnt.
Wie als Krönung all des Ungemachs sind aktuell massive Vorwürfe von Ärzten und Pflegekräften gegen die Klinikleitung laut geworden: Rigorose Sparpolitik habe unzumutbare Verhältnisse mit sich gebracht. Nicht selten müsse eine einzige Nachtschwester allein 30 Patienten betreuen, heißt es aus den Reihen der 4200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch führe Zeitdruck dazu, dass Maßnahmen zur Hygiene nicht so korrekt ausgeführt werden können, wie es an einem renommierten Krankenhaus selbstverständlich sein sollte.
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