An der richtigen Adresse

Nordrhein-Westfalens Unikliniken erklären sich für Entlastung nicht zuständig

Dass Krankenhäuser gefährlich unterbesetzt sind, bestreitet niemand mehr. Dennoch rennen die Pflegekräfte mit ihrer Forderung nach Mindestbesetzungen für Stationen keine offenen Türen ein. Im Gegenteil, sie müssen solche Standards Haus für Haus erkämpfen - so lange jedenfalls, wie es keine gesetzliche Vorgabe gibt. So erklären die Vorstände der Unikliniken Düsseldorf und Essen seit vielen Monaten, dass sie keine Tarifverhandlungen führen könnten, weil das Aufgabe der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) sei.

Doch die Pflegekräfte, die in dieser Woche in einen unbefristeten Streik getreten sind, sehen sich bei ihren Kliniken an der richtigen Adresse. »Personalbedarf kann man nicht bundesweit einfach schneidern«, sagt Martin Körbel-Landwehr, Personalratsvorsitzender der Uniklinik Düsseldorf. Solche Tarifverträge müssten vor Ort angepasst werden. Auch die Gewerkschaft ver.di kann keinen Widerspruch zwischen dem Flächentarifvertrag mit der TdL und ihrer Forderung nach einem Haustarifvertrag erkennen. »Wir wollen Inhalte regeln, die nicht vom bestehenden Tarifvertrag abgedeckt sind«, erklärt Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler.

Die Gewerkschafterin hat das Bundesarbeitsgericht auf ihrer Seite. Demzufolge haben einzelne Arbeitgeber nach dem Tarifvertragsgesetz die Möglichkeit, sich in Arbeitgeberverbänden zu organisieren, was ihnen aber nicht die eigenständige Tariffähigkeit nehme. Zudem verweist ver.di auf eine Rechtsverordnung des Landes NRW für Uniklinika, aus der hervorgehe, dass Ansprechpartner für die Arbeitssituation durch Überlastung der Arbeitgeber ist.

Bühlers Trumpf ist aber der Verweis auf andere Bundesländer. Dass Entlastung per Tarifvertrag geregelt werden kann, hätten die Kolleg*innen der Charité und zuletzt auch an den vier Unikliniken in Baden-Württemberg gezeigt, sagt sie. In Berlin war 2016 der bundesweit erste Tarifvertrag geschlossen worden, der personelle Mindestbesetzungen in der Pflege regelt. Seit Mai gibt es zudem eine Einigung für 27 000 Beschäftigte an den Kliniken in Heidelberg, Tübingen, Ulm und Freiburg, die unter anderem 120 neue »Springer« vorsieht. Diese kommen zum Einsatz, wenn bestimmte Personalschlüssel unterschritten werden. In einer Handvoll weiterer Häuser konnte ver.di ähnliche Tarifregelungen durchsetzen.

Fragwürdiger als die Forderung nach einem Haustarifvertrag für den Personaleinsatz ist denn auch eine Strafmaßnahme der Bundesländer. Die sagten nämlich mit Verweis auf den Streikaufruf von ver.di in den beiden Unikliniken kurzfristig sämtliche Tarifverhandlungen über die Entgeltordnung für Lehrer und zur Tarifierung der betrieblich-schulischen Ausbildung in Gesundheitsberufen ab. Die Gespräche standen seit Langem fest, waren mit der Tarifeinigung für den öffentlichen Dienst im Februar 2017 vereinbart worden. Einen sachlichen Zusammenhang gibt es nicht, weshalb die Empörung auf Gewerkschaftsseite groß ist. Stoppen will ver.di die Streiks deshalb nicht, vielmehr stärkte ver.di-Chef Frank Bsirske den Pflegekräften am Mittwoch den Rücken. Er sei »absolut überzeugt, dass wir diese Auseinandersetzung gewinnen«, bekräftigte er vor Ort.

Auch für die Erfolge in Berlin oder Baden-Württemberg brauchten die Beschäftigen einen langen Atem. Man hätte nur denken können, dass es ihre Nachahmer leichter haben.

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