Bauland für Genossenschaften

Verband kritisiert Bedingungen für Vergabe von Erbbaurechten

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

Sie kritisieren regelmäßig ein schlechtes Neubauklima. Mit der neu aufgestellten Wohnungsbau-Leitstelle konnten doch immerhin seit Februar teils mehrere Jahre blockierte Projekte mit insgesamt 1500 Wohnungen auf den Weg gebracht werden.

Ja, aber das sind zu kleine Schritte bei einem Neubaubedarf von mindestens 20 000 Wohnungen pro Jahr. Und vieles ist da auch noch auf die Vorgängerregierung zurückzuführen. Das ganz wesentliche Problem ist aber: Dass Berlin wächst und wir deshalb dringend Wohnungsneubau brauchen, ist in der Bevölkerung und auch in vielen Bezirken leider immer noch nicht so richtig angekommen - deshalb gibt es Widerstände, sogar gegen bezahlbaren Mietwohnungsneubau wie von unseren Mitgliedsunternehmen. Diese Widerstände werden dann auch politisch transportiert. Vor allem das meinen wir mit »schlechtem Neubauklima«.

Zur Person
Maren Kern ist Vorstand beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), der vorwiegend kommunale und genossenschaftliche Wohnungsbaugesellschaften vertritt. Daneben gehören dem BBU auch Konzerne wie die Deutsche Wohnen an. Über die Hürden beim Neubau sprach mit ihr für »neues deutschland« Nicolas Šustr.

Hakt es also besonders in den Bezirken?

Die Bezirke sind eine Stellschraube von vielen, aber es stimmt schon, dass es hier viele Widerstände gibt. Treptow-Köpenick ist vorbildlich, da geht es in der Regel wirklich schnell. Oft läuft es aber anders. Ein Beispiel: In einem anderen Bezirk will eine Wohnungsgesellschaft mindestens 1000 Wohnungen errichten, und dort hieß es: Das wollen wir nicht. Punkt, Ende der Durchsage. Es gibt auch rechtliche Hemmnisse, wie die Regelung zum Dachgeschossausbau kontra Baumschutz. Und dann natürlich die Partizipation: Die ist wichtig - aber dann nicht um die Frage, ob gebaut wird, sondern nur wie.

Hängt die Skepsis nicht auch damit zusammen, dass in den letzten Jahren hauptsächlich hochpreisiger Neubau erstellt wurde?

Ja, die hochpreisigeren Wohnungen sind zuerst gebaut worden, weil da auch die wirtschaftlichen Hürden am niedrigsten waren. Um heute eine Wohnung zu erstellen und sie dann nach Senatsvorgabe für 6,50 Euro pro Quadratmeter vermieten zu können, brauchen Sie Förderung. Die wurde vom Senat nur zögerlich erhöht. Inzwischen haben unsere Unternehmen aber Tausende bezahlbare Wohnungen errichtet und bauen weitere.

Neubau bedeutet oft, dass es am Ende zwei teure Wohnungen gibt: die neue und diejenige, die zu einem höheren Preis als bisher wieder vermietet wird. Das sagt der Stadtsoziologe Andrej Holm. Können Sie das nachvollziehen?

Herr Holm hat ja eine ganz eigene Sicht auf die Dinge. Grundsätzlich hilft jede neue Wohnung. Unsere Überzeugung ist aber: Vorangebracht werden muss vor allem der Mietwohnungsbau für breite Schichten der Bevölkerung, also für untere und mittlere Einkommensschichten. Und genau für diese Gruppen bauen unsere Mitgliedsunternehmen ja, wenn man sie denn lässt. Und die vermieten die frei werdenden Wohnungen dann auch nicht teuer weiter.

Im Umland gebe es ein besseres Neubauklima, heißt es immer wieder.

Wir haben ja immer das gute Beispiel mit Potsdam, wo es anders läuft. Die haben die höchsten Neubauzahlen pro 1000 Einwohner in ganz Deutschland. Hier wurde früher angefangen, und die haben das dann auch sehr strategisch, konzertiert und konzentriert umgesetzt.

Sind es nicht einfach nur die deutlich niedrigeren Preise für Bauland, weswegen die Investoren ins Umland gehen?

Nein. Nicht nur in Schönefeld, auch in vielen anderen Gemeinden werden Sie als Bauherr gefragt, wann Sie die Genehmigung brauchen. Das hat auch Genossenschaften dazu bewogen, Projekte im Umland zu beginnen, nachdem ihnen in Berlin oft jahrelang Steine in den Weg gelegt worden sind.

Sie fordern, dass der Senat auch Wohnungsbaugenossenschaften Bauland zur Verfügung stellt.

Ja. Das ist bislang nicht wirklich passiert. Es heißt immer, dass die Grundstücke laut Haushaltsrecht nur an die kommunalen Gesellschaften abgegeben werden dürfen. Nun sollen Grundstücke an Genossenschaften nur noch über das Erbbaurecht verpachtet werden, und das dann auch nur auf 60 Jahre statt wie bisher üblich für 99. Unsere älteste Genossenschaft ist jetzt an die 140 Jahre alt, viele andere gibt es weit über 100 Jahre. Hier muss man also schlicht in längeren Zeithorizonten denken und passende Unterstützung anbieten. Dazu haben wir den Erbbauzins, der für Wohnnutzung immer noch bei viereinhalb Prozent liegt. Weit höher als die Kreditzinsen derzeit. Das Land Berlin soll aber ja nicht durch die Vergabe der Grundstücke verdienen, sondern es soll für die Sicherung guten Wohnraums für breite Schichten der Bevölkerung sorgen. Da sind die Genossenschaften ganz wichtig.

Dann scheint es vor allem Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) zu sein, der eine Baulandpolitik im Sinne der Genossenschaften blockiert?

Es ist Sache der Koalition insgesamt, in Senat und Abgeordnetenhaus den bezahlbaren Neubau in Berlin voranzubringen. Dabei wollen wir Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) gerne in ihrer Arbeit unterstützen.

Wo wird Berlin stehen beim Wohnungsbau am Ende der Legislaturperiode 2021?

Hoffentlich noch in der Einschätzung der Menschen so attraktiv wie jetzt. Wenn es beim Wohnungsbau weiter so langsam vorangeht, bin ich da aber skeptisch. Wenn wir die Neubau-Zielzahlen nicht erreichen, wird sich der Druck am Markt weiter erhöhen und die Mieten steigen. Das ist dann nicht nur ein Problem für Zuziehende, sondern für alle. Ich würde mir deshalb wünschen, dass die Forcierung des Neubaus als Gemeinschaftsaufgabe gesehen und angegangen wird. Übrigens auch auf der Bundesebene, wo sich unser Bauminister jetzt hoffentlich endlich auch mal mehr um das Thema Wohnen und Neubau kümmert. Alle müssen jetzt an einem Strang ziehen.

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