AnKER ist Transit ist Transfer

Die Koalition hat ihren Begriffsstreit über die künftige Asylpolitik beendet. Beim Ziel der Abschreckung von Flüchtlingen bleibt es

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Horst Seehofer würde am liebsten alle Flüchtlinge gleich an der Grenze zurückschicken. Weil das rechtlich nun mal nicht geht, hatte sich der Bundesinnenminister in seinem 63-Punkte-Masterplan jene Asylbewerber vorgenommen, die in einem anderen EU-Land bereits registriert wurden. Die wollte er wenigstens an der bayerischen Grenze zurückschicken - schließlich ist der Bundesinnenminister in erster Linie Bayer und CSU-Vorsitzender. Nach der Einigung des Koalitionsausschusses vom Donnerstagabend ist von diesem Vorhaben nicht viel übrig. Dass die SPD sich vehement gegen den Begriff der Transitzentren wehrte, in denen Flüchtlinge bis zu 48 Stunden ausharren sollen, ist dabei eher zweitrangig. Eher schon, dass Österreich und Italien keine Bereitschaft zeigen, die Menschen zurückzunehmen. Deren Einverständnis aber ist ausdrücklich beschlossene Voraussetzung in der Übereinkunft. Weshalb Seehofer am Freitag bereits grummelte, dass der Kompromiss erst noch den Praxistest bestehen müsse. Ansonsten, so drohte er im »Spiegel«, ginge es »wieder von vorne los«. Was nach wochenlangen Reibereien mit der Kanzlerin samt Richtlinienkompetenz- und Rücktrittsdrohungen reichlich irrational klingt.

Eine Fortsetzung der Auseinandersetzung ist allerdings tatsächlich zu befürchten, denn was die Union nach ihrem internen Kompromiss nun mit der SPD vereinbarte, ist allenfalls ein Trostpflaster für Seehofer, was den Punkt der Rückführungen an der Grenze angeht. Dass er ihm trotzdem zugestimmt hat, zeigt, dass die Richtung für ihn immer noch zu stimmen scheint. Und das ist bedenklich.

Denn zwar ist der Plan für die 150 Flüchtlinge im Monat, die an der bayerischen aufgegriffen werden, obwohl sie schon anderswo in der EU registriert wurden, ein Problem. Aber ihre Zurückweisung ändert an der Asylstatistik, die Seehofer schwer im Magen liegt, überhaupt nichts. Und jene Flüchtlinge, die nicht an den drei Grenzübergängen auftauchen, die in Bayern überhaupt kontrolliert werden, sondern irgendwo anders die Grenze passieren, ist Seehofer damit auch nicht los.

Aber er hat sie im Visier, und der Koalitionsausschuss hat ihm ausdrücklich zugestimmt. So wurde eine weitere »Beschleunigung der Asylverfahren« beschlossen - eine Formulierung, die bereits in den zwei vergangenen Jahren für die Verschärfung des Asylrechts herhalten musste. Die AnKER-Zentren, wo jene Beschleunigung eine trostlose Heimstatt erhalten soll, sind beschlossene Sache. In Manching, Deggendorf oder Bamberg wird bereits praktiziert, was Seehofer sich darunter vorstellt. Und dass die Lager dort in Bayern Transitzentren heißen, ist eine besondere Ironie der Koalitionsgeschichte. Die SPD hat sich bisher daran jedoch noch nicht gestoßen. Pro Asyl befürchtet aber, dass sich diese Zentren als »Sackgassen mit geringen Chancen auf Rechtsschutz erweisen«, wie Geschäftsführer Günter Burkhardt formuliert.

CSU und SPD bejubelten gleichwohl am Freitag ihren jeweiligen Erfolg. SPD-Vize Eva Högl behauptete gar, die Koalition sei letztlich der SPD gefolgt, weil es keine geschlossenen Lager geben werde und auch keine Zurückweisungen ohne bilaterale Vereinbarungen mit den betroffenen EU-Ländern. Ihr Genosse Ralf Stegner bezweifelte im ZDF öffentlich, dass es zu Abkommen mit Italien, Österreich oder Ungarn kommen werde. Dass Horst Seehofer mit den Verhandlungen beauftragt ist, mag zur Schadenfreude bei der SPD beitragen. Generalsekretär Lars Klingbeil stellte schon die Frage, ob Seehofer noch über die nötige Kraft und Autorität verfüge.

Weniger spöttisch klang am Freitag die LINKE im Bundestag, deren Parlamentarischer Geschäftsführer, Jan Korte, der der SPD vorwarf, den »menschen- und europafeindlichen Abschottungskurs von Seehofer, Kurz, Salvini und Orban« mitzufahren. Auch Pro Asyl äußerte die ernste Sorge, dass die Einigung der Koalition erst der »Beginn einer lang andauernden, emotional hochgeheizten Asyldebatte zwischen den EU-Staaten sein wird«.

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