Ein Gift auch für Henker?

Deutsches Unternehmen soll Tötungsmittel für Tiere ohne Exportgenehmigung in die USA geliefert haben

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

»For dogs only« (nur für Hunde) - so ist auf der bräunlichen Flasche zu lesen, deren Inhalt unheilbar kranke Tiere von ihrem Leiden erlösen soll. »Beuthanasia-D« heißt das Mittel. Doch nicht allein Tierärzte könnten die Injektionslösung einsetzen, sondern wegen des tödlichen Inhaltsstoffs auch Henker. Deshalb unterliegt die Ausfuhr des Medikaments strengen Bestimmungen. Hat sie ein Unternehmen in Norddeutschland missachtet?

Diese Frage will derzeit die Staatsanwaltschaft in Oldenburg klären. Sie untersucht, ob Mitarbeiter von Vet Pharma im 22 000 Einwohner zählenden Friesoythe im Nordwesten Niedersachsens die Exportrichtlinien bewusst umgangen haben. Mit der Folge, dass große Mengen Beuthanasia in die USA gelangen konnten, und zwar ohne den zwingend vorgeschriebenen lückenlosen Nachweis, der besagt: Das Mittel wird am Zielort nicht zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet und nicht an Einrichtungen weitergegeben, in denen Hinrichtungen erfolgen.

Die Behörden sind sehr sensibel geworden, wenn es um die Ausfuhr tödlicher Substanzen geht, vor allem in Richtung USA. In den Gefängnissen jener Bundesstaaten, die Todeskandidaten mit einer Injektion exe-kutieren, herrscht nämlich Mangel an Gift. Vor allem fehlt den Scharfrichtern das seit Jahren zum Hinrichten eingesetzte Pentobarbital. Dieser Wirkstoff, der in der Humanmedizin als Schlafmittel verwendet wird, wird in der Tiermedizin zum Einschläfern benutzt - er ist auch der todbringende Inhaltsstoff von Beuthanasia aus Niedersachsen.

Zumeist vollstrecken US-Staaten ihre Todesurteile mit einem Giftcocktail. Erst wird dem Delinquenten Pentobarbital injiziert, das ihn bewusstlos macht. Es folgt ein Mittel, das den Atem lähmt. Als Letztes fließt dann durch den Injektionsschlauch Kaliumchlorid, welches das Herz zum Stillstand bringt.

Immer mehr Unternehmen weigern sich mittlerweile, die »Zutaten« für diesen Cocktail oder allein tödliche Mittel in die USA zu liefern. Deshalb suchen die Strafvollstreckungsbehörden nach Alternativen. In Missouri griffen sie zu einem Narkosemittel, das sie in Überdosis verabreichten: Propofol, das sich Popstar Michael Jackson zum Beruhigen spritzen ließ und durch das er 2009 schließlich sein Leben verlor. Der deutsche Hersteller Fresenius bekräftigte, es werde streng kontrolliert, dass das Narkosemittel in den USA nur an Krankenhäuser geliefert wird, keinesfalls an Gefängnisse.

In Sachen Pentobarbital greift die Anti-Folter-Verordnung der EU. Neben mittelalterlich anmutenden Gütern wie Daumenschrauben, Fußfesseln mit Gewichten oder mit Stacheln gespickten Schlagstöcken untersagt ein Merkblatt des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkon-trolle auch den Export dieses Wirkstoffs ohne besondere Genehmigung und ohne lückenlosen Nachweis über den Weg, den solche Lieferungen bis zum Empfänger nehmen. Vet Pharma soll jedoch ohne jene Papiere Beuthanasia in die USA geliefert haben, heißt es. In einer kurzen Stellungnahme schreibt das Unternehmen, es gebe keinerlei Grund zu der Annahme, dass das Mittel »jemals außerhalb des veterinärmedizinischen Bereichs verwendet wurde«.

Hinweise, die Flaschen könnten irgendwie in US-amerikanische Todestrakte gelangt sein, gibt es tatsächlich nicht. Nach derzeitigen Informationen soll Vet Pharma zwischen November 2017 und Januar 2018 größere Mengen des Mittels ohne Genehmigung an das Schwesterunternehmen namens Intervet Schering-Plough Animal Health in den USA geliefert haben. Ein weiterer geplanter Transport wurde im Februar 2018 durch das Hauptzollamt Bremen gestoppt. Angeblich hatten Mitarbeiter von Vet Pharma zuvor die Exportdaten manipuliert.

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