• Kultur
  • »Friday Night Dinner«

Oma hätte beinahe Hitler geheiratet

In der britischen Sitcom »Friday Night Dinner« entstehen aus absurden Situationen grandiose Dialoge

  • Bettina Müller
  • Lesedauer: 3 Min.

Die britische Sitcom »Friday Night Dinner« hat sich in Großbritannien zu einem »Smash Hit« entwickelt; vor wenigen Wochen ging die fünfte Staffel zu Ende. Die Rahmenhandlung ist in jeder Folge gleich: Spot on auf ein typisches Vorstadtreihenhaus, in dem eine englische Familie jüdischen Glaubens lebt. Abenddämmerung. Mum und Dad laden jede Woche, wie es die Tradition verlangt, zum jüdischen Freitagabend ein, der mit einem Segen und anschließenden Festmahl begangen wird und den Sabbat am nächsten Tag einläuten soll, an dem alle Geschäfte ruhen und nicht gearbeitet wird. Regelmäßig fallen also die beiden mehr oder weniger erwachsenen Söhne Adam und Jonny, die beruflich nicht so richtig Fuß fassen können und froh sind, mal eine warme Mahlzeit zu bekommen, wieder in ihr Elternhaus ein und mutieren sofort zu Teenagern inklusive Rangeleien und Streichen, die auch Kleinkindern würdig wären. Es entstehen absurde Situationen, Missverständnisse, grandios komische Dialoge.

Das Tempo der Serie ist trotz des begrenzten Rahmens unglaublich flott, die Chemie zwischen den Darstellern perfekt, die Gags werden wie aus dem Maschinengewehr abgeschossen. Mum, eine typische englische Hausfrau mit biederer Frisur, Putzwahn und bedenklichem Modegeschmack, und Dad, infantil, leicht verschroben und, sehr zum Leidwesen von Mum, chronischer Sammler von altem Krempel, darf man sicherlich zu Recht als exzentrische Untertanen ihrer Majestät bezeichnen. Hinter verschlossener Tür. Wenn es dann an der Haustür klingelt, darf man sicher sein, dass es zumeist der nicht minder verschrobene bis latent wahnsinnige Nachbar Jim mit seinem Hund Wilson ist, vor dem er tierische Angst hat und der die über seinen Besuch wenig Begeisterten anbiedernd mit einem unnötig verlängerten »Shalommmmm« begrüßt. Auf Mum hat er ganz deutlich ein großes Holzauge geworfen, doch sie ignoriert ganz tapfer die Anzüglichkeiten des verstörten und verstörenden Nachbarn.

Darf man darüber lachen, schallend sogar, wenn Dad Adam zum Geburtstag voller Stolz ein antiquarisches Buch über die SS schenkt und Adams Entsetzen nicht begreifen kann? Man kann - und man darf! Englische Situation Comedy (Sitcom) ist manchmal wie Satire. Und die darf alles, sagte schon Kurt Tucholsky. Ist John Cleese in »Fawlty Towers« nicht auch schon als Hitler herumstolziert? Und hat man auch als Nicht-Brite darüber gelacht? Ja, man hat. Eine Sitcom ist eben auch politisch völlig unkorrekt, sie will in erster Linie unterhalten, regt aber auf spielerische Weise auch zum Nachdenken an, indem sie provoziert.

Die Briten sind Meister ihres Fachs. Man stelle sich vor, eine deutsche Serie würde sich über die SS lustig machen - das ist undenkbar. Fast schon Comedy-Tradition hat auf der Insel auch das »Hitler-Motiv«, das in »Friday Night Dinner« in Form des cholerischen Verehrers der Großmutter auftritt, der Mutter Mums, ein versnobter Kotzbrocken, der nicht zufällig auch so aussieht wie Hitler und von Jonny und Adam insgeheim auch so genannt wird. Nur knapp entgeht die Familie einer Heirat der liebestollen Oma mit Hitler. Glück gehabt.

Die Staffeln eins bis vier sind bereits auf DVD (in englischer Sprache) erschienen. Die fünfte Staffel erscheint in Deutschland am 16. Juli.

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