SPD-Linke fordern 35-Stunden-Woche

Unterstützung von Jusos-Chef Kühnert: Erneuerung wird »nicht mit kleckern, sondern nur mit klotzen funktionieren«

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 3 Min.

Einen Namen haben sie noch nicht. Doch schon zum zweiten Mal sind zwölf SPD-Bundestagsabgeordnete mit Forderungen nach einer linken Profilschärfung der SPD in Erscheinung getreten. Die Sozialdemokraten rund um die Bielefelderin Wiebke Esdar und den bayrischen Abgeordneten Michael Schrodi haben am Wochenende ein Thesenpapier verfasst.

Zentrale Forderungen sind mehr Investitionen durch Erbschafts- und Vermögenssteuern, sowie eine Neugestaltung des Arbeitslebens. So fordern die Initiatoren eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Auch der Mindestlohn solle steigen, auf 12 Euro pro Stunde. Das ganze solle zudem mit einem europäischen Mindestlohn flankiert werden, so das Papier.

Nicht alle Ideen im Papier sind neu. So soll die 35-Stunden-Woche mit den Möglichkeiten einer Familienarbeitszeit sowie der Brückenteilzeit ergänzt werden. Die Familienarbeitszeit hatte die SPD bereits in ihrem Wahlprogramm gefordert. Sie sieht vor, dass Eltern junger Kinder einen finanziellen Ausgleich vom Staat erhalten, wenn beide von ihnen ihre Arbeitszeit verringern. Der Vorschlag hatte es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft. Die Brückenteilzeit wird hingegen derzeit von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bearbeitet.

Auch eine andere Forderung der zwölf Politiker wurde bereits andiskutiert. So fordern sie ein Chancenkonto in Höhe von 20.000 Euro, um Weiterbildungen oder »berufliche Neuorientierung zu finanzieren.« Auch das hatte die Parteivorsitzende Andrea Nahles bereits als Arbeitsministerin ins Spiel gebracht. Dieser Vorstoß wurde SPD-intern als mögliche Alternative zum Grundeinkommen gehandelt. Im Koalitionsvertrag fehlt dieser Punkt.

Stichwort Grundeinkommen: Diese Idee, die auch im linken Flügel umstritten ist, lehnen die zwölf Bundestagsabgeordneten in ihrem Thesenpapier explizit ab. Dennoch wollen sie Änderungen bei der Existenzsicherung. So sollen Sanktionen abgeschafft werden. Das Schlagwort Hartz-IV umschiffen sie indes. Angedeutet wird nur: Die Partei müsse »Fehler aus der Vergangenheit korrigieren«.

Auf dem Gebiet des Haushalts wünschen sich die Abgeordneten Kurskorrekturen und wenden sie sich gegen ein Diktat der »Schwarzen Null«: »Die Politik der «Schwarzen Null» ist dabei kein eigenständiges politisches Ziel. Vielmehr kann sie Hemmnis sein bei der Umsetzung unserer politischen Ziele.«

Auf der Einnahmeseite sind die Abgeordneten deutlich radikaler. Finanziert werden sollen Mehrausgaben neben einer »wirksamen Erbschaftssteuer«, auch durch eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer sowie eine europäische Steuer auf Finanztransaktionen. Das Thema Vermögenssteuer hatten die Sozialdemokraten im Bundestagswahlkampf nicht in ihr Programm aufgenommen.

Auf Anfrage von »nd« erklärte die Mitinitiatorin des Papiers, Wiebe Esdar: »Wir wollen mit unseren Thesen damit die innerparteiliche Debatte anstoßen.« Das Papier sei auch als Impuls für das Debattencamp zur inhaltlichen Erneuerung der SPD im November gedacht. Dabei müsse inhaltlich nicht immer das Rad neu erfunden werden, sondern »gute Vorschläge, die bereits in der Partei diskutiert wurden, wieder in den Fokus gerückt werden«.

Die Jusos unterstützen das Papier. Der Bundesvorsitzende der Jugendorganisation der SPD, Kevin Kühnert, sagte dem »nd«: »Die Autorinnen und Autoren haben verstanden, dass die Erneuerung der SPD nicht mit kleckern, sondern nur mit klotzen funktionieren wird. Ein handlungsfähiger Staat, der Vermögen gerecht verteilt und verlässlich investiert, ist Kern dessen, was von der Sozialdemokratie erwartet wird. Wir Jusos teilen diese Anliegen und stehen mit den zwölf Abgeordneten in engen Austausch, um unsere gemeinsamen Forderungen durchsetzen zu können.«

Ein SPD-Sprecher nannte das Thesenpapier der zwölf neuen SPD-Bundestagsabgeordneten einen »interessanten Debattenbeitrag im Zuge unseres programmatischen Erneuerungsprozesses«. Nach gemeinsamer Debatte solle aus diesen Impulsen ein Leitantrag werden, der Ende 2019 auf einem Bundesparteitag beschlossen werden soll.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.