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Haftbefehl gegen Puigdemont zurückgezogen
Madrid kritisiert deutsche Justiz / Rückkehr nach Spanien nicht möglich
Madrid. Nach monatelangem juristischen Tauziehen verzichtet die spanische Justiz auf die Auslieferung des früheren katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont aus Deutschland. Das Oberste Gericht in Madrid zog am Donnerstag zugleich die internationalen Haftbefehle gegen Puigdemont und fünf weitere katalanische Politiker zurück, die sich ebenfalls ins Ausland abgesetzt hatten. Puigdemonts Anwälte begrüßten den Beschluss in dessen Namen als »vernünftig«.
Zur Begründung verwies das Gericht in Madrid auf die vorige Woche ergangene Entscheidung der deutschen Justiz, eine Auslieferung Puigdemonts nur wegen des Vorwurfs der Veruntreuung und nicht wegen Rebellion für zulässig zu erklären. Dieser hätte in seinem Heimatland folglich nur noch wegen des schwächeren Vorwurfs vor Gericht gestellt werden können, wie das für den Fall zuständige schleswig-holsteinische Oberlandesgericht (OLG) dazu mitteilte.
Nach der Entscheidung können sich Puigdemont und die anderen fünf Beschuldigten nun frei im Ausland bewegen. Puigdemont hielt sich zuletzt in Deutschland auf, um die Bewilligung seiner Auslieferung durch die Staatsanwaltschaft gemäß dem Gerichtsentscheid abzuwarten. Er befand sich auf freiem Fuß, musste jedoch Auflagen erfüllen und durfte Deutschland vorerst nicht verlassen.
»Die Entscheidung ist vernünftig«, erklärte Puigdemonts deutsches Verteidigerteam in dessen Namen. »Sie ist die logische Konsequenz unserer Bemühungen der letzten Wochen und Monate. Die von Spanien betriebene europaweite Verfolgung von Carles Puigdemont hat damit ein Ende.« Politische Konflikte könnten nicht durch das Strafrecht gelöst werden, betonten dessen Anwälte mit Blick auf Katalonien.
Puigdemont befindet sich als Organisator der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens vom vergangenen Oktober im Visier der spanischen Justiz. Er hatte sich nach Belgien abgesetzt, war im März aber aufgrund des internationalen Haftbefehls bei der Durchreise in Schleswig-Holstein festgenommen worden. Seither lief das komplizierte juristische Verfahren um eine Auslieferung.
In Spanien war es Anfang Juni zu einem Regierungswechsel gekommen. Der neue sozialdemokratische Regierungschef Pedro Sánchez vertritt im Katalonien-Konflikt eine weniger harte politische Linie als sein konservativer Vorgänger Mariano Rajoy. Vor knapp zwei Wochen hatte sich Sánchez mit dem katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra getroffen, um über mögliche Auswege aus der Krise zu beraten.
Puigdemont hatte den Beschluss der deutschen Richter vom vorigen Donnerstag begrüßt und sich entschlossen gezeigt. »Wir kämpfen bis zum Ende«, teilte er damals mit. Inzwischen gründete er eine neue politische Bewegung, in der er alle Unabhängigkeitsbefürworter versammeln will.
Die spanische Zentralregierung hatte in einer ersten Reaktion erklärt, sie respektiere die Entscheidung der deutschen Justiz, wünsche allerdings einen Prozess in Spanien. Die nationalen spanischen Haftbefehle ließ das Gericht in Madrid allerdings in Kraft. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat müssten Puigdemont und die übrigen Politiker mit einer Verhaftung rechnen.
Es ist auch nicht das erste Mal, dass das Oberste Gericht einen internationalen Haftbefehl gegen Puigdemont aufhob. Es hatte dies schon im Dezember vergangenen Jahres getan, während dieser sich in Belgien aufhielt. Damals begründete es seine Entscheidung damit, dass Belgien einige der darin erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe ablehnen könnte. Genau das tat später auch das deutsche Gericht.
Der Streit um die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens war im vergangenen Jahr eskaliert, als Puigdemont das von der spanischen Justiz als illegal eingestufte Referendum organisierte. Nach der Abstimmung rief die Regionalregierung einseitig Kataloniens Unabhängigkeit aus. Die Regierung in Madrid setzte daraufhin Puigdemont und sein Kabinett ab. Die Justiz beschuldigt diesen seither der Rebellion und der Veruntreuung öffentlicher Gelder. Agenturen/nd
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