Beschäftigte bereiten Ryanair heißen Streiksommer
Kommende Woche legen Angestellte von Europas größtem Billigflieger in Irland, Italien, Spanien und Portugal die Arbeit nieder
Täglich beklagt sich Ryanair im Kurznachrichtendienst Twitter über ausgefallene und verspätete Flüge. Die EU-Kommission müsse endlich etwas unternehmen gegen den Lotsenmangel und die Streiks in den nationalen Flugsicherungen, lautet die Dauerkritik der Iren. Doch deren Kunden müssen in diesem Sommer auch noch diverse Streiks des fliegenden Personals fürchten, das die Hauptreisezeit nutzt, um seine Ziele durchzusetzen.
Ryanair steckt in einem tiefgreifenden Wandel, seit sich Piloten und Flugbegleiter zunehmend in Gewerkschaften organisieren und europaweit vernetzen. Sie setzen sich für höhere Löhne, gegen Leiharbeit und für bessere Arbeitsbedingungen ein. Die einstmals strikt anti-gewerkschaftliche Airline hat sich schon im vergangenen Jahr zu einem Kurswechsel entschlossen und erste Verhandlungen mit den Arbeitnehmern aufgenommen. Jährliche Mehrkosten von bis zu 112 Millionen Euro haben die Iren für das laufende Geschäftsjahr schon eingerechnet. Für den etwas sanfteren Kurs steht der von Malaysia Airlines geholte Organisationschef Peter Bellew, der manchen bereits als Nachfolger des Hardliners und Ryanair-Chefs Michael O'Leary gilt.
Zu einem Erfolg haben die seit Wochen geführten Verhandlungen bislang allerdings nicht geführt. Im Detail zeigen sich die Ryanair-Manager extrem hartleibig, berichtet beispielsweise Markus Wahl von der deutschen Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit. Kleinteilig wird beispielsweise über Freistellungen für die Mitglieder der Verhandlungskommission gestritten, bereits vereinbarte Termine verstreichen ungenutzt.
Einem ersten Piloten-Warnstreik zu Weihnachten in Deutschland und einem mehrtägigen Ausstand der Kabinencrews zu Ostern in Portugal folgen nun in der Hauptreisezeit im immer engeren Takt kleinteilige Arbeitskämpfe irgendwo im weiten Ryanair-Reich. Für vergangenen Freitag musste die Fluggesellschaft bereits 24 Flüge zwischen Irland und Großbritannien absagen, weil die irischen Piloten bereits ein zweites Mal die Arbeit niederlegen.
Diese Woche wollen sie das auch noch einmal am Dienstag tun, bevor die Flugbegleiter in Italien, Spanien, Portugal und Belgien am Mittwoch und Donnerstag folgen. An beiden Tagen hat Ryanair jeweils 300 von mehr 2400 geplanten Flügen abgesagt. Ob deutsche Flughäfen von den Ausfällen betroffen sind, konnte die Airline nicht sagen.
»Der Ryanair droht ein Dauerkonflikt, in dem irgendwo immer gestreikt wird«, sagt Christoph Drescher, Präsident des europäischen Kabinenbeschäftigtenverbandes Eurecca, der einen Teil der Flugbegleitergewerkschaften vereinigt. Er glaube, dass die Airline schon aus eigenem Interesse diese offene Flanke ihres Geschäftsmodells schließen wird.
Dem führenden Billigflieger Europas wird seine mittlerweile erreichte Größe mit mehr als 13 000 Beschäftigten und seine kontinentweite Aufstellung mit 86 Basen und 37 angeflogenen Ländern zum Problem, denn er trifft auf eine extrem zersplitterte Gewerkschaftslandschaft. Einkommen und Sozialvorschriften sind nur auf nationaler Ebene tariflich regelbar, andere Themen wie Beförderungspläne oder Einsatzregeln wären wohl am besten auf Konzernebene aufgehoben. Viele Beschäftigte hat Ryanair in Irland, Großbritannien, Spanien, Deutschland und Italien. Den Managern, so sagt es zumindest Eurecca-Chef Drescher, fehle es dabei noch im erschreckenden Maß an Kenntnissen des jeweiligen Sozialrechts.
In Deutschland stimmen die Ryanair-Piloten in der Vereinigung Cockpit bis zum Ende dieses Monats über einen unbefristeten Streik ab. Ihre Forderungen an die Konzernführung orientieren sich an den Tarifbedingungen bei den Konkurrenten Tuifly und Easyjet. Bei den deutschen Flugbegleitern balgen sich noch die Gewerkschaften ver.di und Ufo wie bei der Lufthansa um den Vertretungsanspruch. Am Ende wird Ryanair voraussichtlich mit beiden Organisationen sprechen müssen, weil jede einen relevanten Teil des streikfähigen Personals vertritt. dpa/nd
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