Werbung
  • Politik
  • Protest gegen Asylpolitik

Wie man eine Abschiebung verhindert

Eine junge Schwedin stoppt eine Abschiebung im Flugzeug - und die Welt schaut per Facebook zu

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 3 Min.

Über Nacht wurde Elin Ersson zum Internetstar. Die junge Schwedin startete am Montagabend ein Live-Video bei Facebook. Hunderttausende Mal wurde der Clip innerhalb von wenigen Stunden aufgerufen, Solidaritätsbekundungen kamen aus der ganzen Welt - aber auch Ablehnung und Hass schlugen der Studentin entgegen.

Was war passiert? Ersson befand sich in einem Flugzeug, das von Göteborg nach Istanbul fliegen sollte. Auf Englisch erklärt sie in dem Video, dass sich an Bord auch ein 52-Jähriger Mann befindet, der nach Afghanistan abgeschoben werden soll.

Die Schwedin läuft durch das Flugzeug und protestiert lautstark gegen die Abschiebung, wo der Mann laut Ersson »mit großer Wahrscheinlichkeit« getötet wird. Ein Flugbegleiter versucht, sie dazu zu bewegen sich hinzusetzen und will ihr sogar das Handy wegnehmen. Doch Ersson bleibt stur und fordert andere Fluggäste auf, ebenfalls aufzustehen. »Wenn die Leute stehen, kann der Pilot nicht abheben«, ruft sie den Passagier*innen entgegen.

Die schwedische Abschiebepolitik kritisiert sie scharf. Einem Fluggast, der sich aufgrund eines Anschlussfluges über ihre Aktion beschwert, ruft sie entgegen: »Ist ihr nächster Flug wichtiger als ein Menschenleben?«

Und Erssons Vehemenz zeigt Wirkung: Mehrere Fluggäste solidarisieren sich mit der Schwedin. Ein Fußballteam steht geschlossen auf und applaudiert ihr zu. Daraufhin bricht die sichtlich gerührte Schwedin in Tränen aus.

Nach mehreren Minuten versichert ein Flugbegleiter, dass der Mann aus dem Flugzeug gelassen wird. Nachdem sich Ersson mehrmals versichert hat, dass der Mann wirklich aus dem Flugzeug steigen kann, verlässt sie die Maschine und das Video endet.

In sozialen Netzwerken wird die Schwedin als Heldin gefeiert. Ganz neu ist die Strategie aber nicht: Auch in Deutschland kämpfen Aktivist*innen seit Jahren gegen Abschiebungen per Flugzeug. Die »Vernetzung gegen Abschiebung - Hessen/Mainz« hat einen Flyer veröffentlicht, der Abschiebeopfer und Fluggäste darüber informiert, wie man eine Abschiebung verhindern kann. Lautstarkes Protestieren, Weigerung sich hinzusetzen, Kontaktaufnahme mit dem Piloten: Die Möglichkeiten sind vielfältig. Da Piloten die Bordgewalt besitzen, können sie den Transport von Gästen, die nicht freiwillig fliegen, ablehnen.

»Es gibt mehrere Fälle, wie auf diese Weise Abschiebungen verhindert werden konnten«, sagt die Aktivistin Marie Schwarz* dem »nd«. »Wir wollen klar machen, dass es sich nicht um freiwillige Flüge handelt, sondern um gewaltvolle Abschiebungen.« Über die verhinderte Abschiebung in Schweden sagt Schwarz: »Es ist super, dass das geklappt hat, wir freuen uns sehr.«

Und auch in Deutschland konnte so in der vergangenen Woche eine Abschiebung verhindert werden: Ein Geflüchteter sollte aus Deutschland abgeschoben werden. Er blieb stehen und nahm Kontakt zum Pilot auf. Dieser weigerte sich den Mann mitfliegen zu lassen und die Maschine flog ohne ihn los.

* Name von der Redaktion verändert

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -