Schwarze Zahlen nach Insolvenz
Die Energiegenossenschaft Prokon sieht sich auf einem guten Weg
Er sollte nicht Recht behalten: Der damalige Minister für Verbraucherschutz, Heiko Maas (SPD), hatte 2014 nach Bekanntwerden der Insolvenz beim Windkraftbetreiber Prokon von einem drohenden »Totalverlust« gesprochen. Im Unterschied zu anderen Insolvenzen jedoch konnte etwa die Hälfte des Wertes gerettet und in das Insolvenzverfahren eingebracht werden. Im vergangenen Jahr wurden nach dem Verlustjahr 2016 auch wieder schwarze Zahlen geschrieben.
Zur Rettung hatten sich 12 000 Genussrechtsinhaber zum Verein der »Freunde von Prokon e.V.« zusammengeschlossen. Sie wollten das Unternehmen als Genossenschaft weiterführen und setzten durch, dass es - erstmals in Deutschland - ein Insolvenzfahren mit zwei Varianten gab: einmal - wie üblich - den Verkauf der Firma und zum anderen die Weiterführung als Genossenschaft.
Für Christfried Lenz von der Genossenschaft »BürgerEnergieAltmark« ein bedeutender Vorgang: »Die Genussrechtsinhaber verloren eine Menge Geld, gewannen aber ein riesiges Stück Boden für die Energiewende in Bürgerhand und dann auch die Mehrheit in der Gläubigerversammlung«, so Lenz gegenüber »nd«. Der Vorgang falle aus dem »kapitalistischen Schematismus« völlig heraus und »stellt den Keim von etwas Neuem dar, lässt ahnen, dass sich im Zuge der Energiewende noch sehr viel mehr wenden wird als die Technik der Energieerzeugung.«
Eine große Mehrheit der rund 40 000 Gläubiger hatte gegen den Verkauf von Prokon an die baden-württembergische EnBW gestimmt - obwohl sie mit einer teuren Kampagne um die Stimmen der Genussrechtsinhaber geworben hatte. Gerne hätte der Energiekonzern, unterstützt von der Landesregierung von Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), mit den Prokon-Windrädern die eigene atomgeprägte Energiebilanz aufgehübscht.
So entstand gegen alle Widerstände die Prokon eG mit über 39 000 Mitgliedern. Heute ist sie die größte Energiegenossenschaft in Deutschland. Im vergangenen Jahr konnte sie wieder schwarze Zahlen schreiben - trotz einer gegenüber Energiegenossenschaften und besonders gegenüber der Windenergie feindlich eingestellten Bundesregierung und einiger, meist CDU-geführter Landesregierungen. Für 2017 liegt das Vorsteuerergebnis bei 10,3 Millionen Euro und der Jahresüberschuss beträgt 7,6 Millionen Euro. Für 2018 wird ebenfalls ein Jahresüberschuss erwartet.
Zunehmend kooperiert Prokon mit kleinen Bürgerenergiegenossenschaften, hilft ihnen über bürokratische Hürden. Gleichzeitig arbeitet die Genossenschaft bei der Entwicklung weiterer Windparks mit der auf ökologisches Investment spezialisierten GLS Bank in Bochum zusammen. So wurden innerhalb weniger Wochen Anteile an einem Windpark bei Gagel platziert. Die 16 Windräder im nördlichen Sachsen-Anhalt gehören zu einem der größten Windparks, die 2017 in Deutschland in Betrieb gegangen sind. Die jährlich erwartete Leistung von über 120 Millionen Kilowattstunden reicht aus, um Strom für etwa 40 000 Haushalte zu liefern.
Die rund 270 Beschäftigten bei Prokon hoffen nach der überstandenen Insolvenz nun auf einen Anstieg ihrer im Branchenvergleich eher niedrigen Löhne. Der Betriebsratsvorsitzende Philip Hogrebe, bezeichnete gegenüber »nd« die aus der Vorgängergesellschaft resultierenden sehr unterschiedlichen Löhne als Problem, das mit der Entwicklung einer Gehaltsstruktur und eines Personalentwicklungskonzeptes hoffentlich bald beseitigt werde. Der IG Metaller Hogrebe wurde vor einigen Wochen von der Mehrheit der Genossenschaft in den Aufsichtsrat gewählt. Das Vertrauen habe ihn gefreut. Seine Wahl zeige, »dass es mittlerweile unter den Mitgliedern ein Bewusstsein gibt, dass vernünftige Arbeitsbedingungen eine wichtige Voraussetzung für den Fortbestand einer gesunden Genossenschaft sind«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.