Das System Mugabe existiert noch weiter

Wahlfavorit Emmerson Mnangagwa steht für viele alte Kader, die sich als Erneuerer inszenieren

  • Katrin Voß und Andreas Bohne
  • Lesedauer: 5 Min.

In der sogenannten Post-Mugabe-Ära steht mit den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen der nächste Höhepunkt bevor. Mehr als zwanzig Kandidat*innen bewerben sich um den Präsidentschaftsposten. Auf den Wahlzetteln finden sich jedoch nicht die Namen der beiden politischen Protagonisten der vergangenen Jahrzehnte: Robert Mugabe und Morgan Tsvangirai. Für die Regierungspartei ZANU-PF ist Emmerson Mnangagwa in den Wahlkampf gezogen. Mit seinen 73 Jahren kann er auf eine lange Parteikarriere zurückblicken und gilt als wichtige Persönlichkeit im Kampf für die Unabhängigkeit. Er konnte sich, mit Unterstützung der Armee, bei den innerparteilichen Machtkämpfen durchsetzen und präsentiert sich nun als Erneuerer und Reformer. Erste Veränderungen werden sichtbar. Die Präsenz und Willkür von Armee und Polizei war in den vergangenen Monaten deutlich rückläufig, die gesellschaftlichen Diskussionen offener. Mnangagwa inszeniert sich während des Wahlkampfes im Gegensatz zu seinem Vorgänger als volksnah. Seine Facebook-Seite zeigt ihn beim Essen in einem Schnellrestaurant oder während Treffen mit Student*innen. Immer wirbt er um Investitionen. Als neues Markenzeichen, selbst bei offiziellen Terminen, trägt er einen Schal in den simbabwischen Farben. Mnangagwa steht für viele alte Kader, die sich als Erneuerer inszenieren. Der Journalist und Akademiker Odomaro Mubangizi spricht nicht umsonst von einem »Machiavellismus« der alten und neuen politischen Elite Simbabwes.

Das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Regierungspartei sitzt tief. Viele Simbabwer glauben nicht an eine wirkliche Veränderung innerhalb der ZANU-PF, sie sehen die derzeitige Entspannung als Wahlkampftaktik. Für sie ist Mugabe aus dem Weg geräumt, das System existiert jedoch weiter. Ein System, das aus einer engen Verflechtung von Partei und Militär besteht und die politische Kontrolle bis in die kleinste Dorfgemeinschaft besitzt. Ein Mitarbeiter des unabhängigen ökonomischen Forschungsinstituts Simbabwes, LEDRIZ, beschreibt im Gespräch mit den Autor*innen die politische Kaste der ZANU-PF als ein organisiertes Kartell. Nach Schätzungen des Instituts werden allein aus dem Bergbausektor illegale Einnahmen in Höhe von jährlich drei Milliarden US- Dollar erzielt. Hinzu kommen illegale Einnahmen aus dem Verkauf von Elfenbein. Dieses Geld lagert auf privaten Konten und ermöglicht die Finanzierung von Geheimdienst, Armee und Polizei und sichert somit den Machterhalt der regierenden politischen Elite. Ein Interesse an tiefgreifenden politischen Veränderungen innerhalb der ZANU-PF ist fraglich.

Wer jedoch denkt, Robert Mugabe hätte sich endlich zur Ruhe gesetzt, irrt. Er, seine Frau Grace Mugabe, die eigentlich die Macht übernehmen sollte, sowie viele Anhänger versammeln sich hinter der neugegründeten Partei »National Patriotic Front«. Jedoch werden deren Vorsitzendem, Ambrose Mutinhiri, einem engen Vertrauten Mugabes, wenig Chancen eingeräumt.

Die größte Oppositionspartei, die Bewegung für Demokratische Veränderung - Tsvangirai (MDC-T), rechnet sich gute Chancen aus. Im Februar starb ihr populärer Vorsitzender, Morgan Tsvangirai. Unmittelbar nach seinem Tod konnte sich Nelson Chamisa bei internen Machtkämpfen als neuer Vorsitzender durchsetzen. Der 40-jährige Anwalt und Angehörige der Ndebele-Ethnie kommt selbst aus der Jugend- und Studierendenbewegung und gilt als charismatischer Politiker. Insbesondere im städtischen Raum und für die Jugend Simbabwes ist er daher glaubwürdig. Seine Kandidatur birgt hohes Potenzial, denn vierzig Prozent der Bevölkerung Simbabwes ist zwischen 18 und 25 Jahren alt.

Der Wahlkampf der MDC-T wird zu großen Teilen über die sozialen Netzwerke geführt, nicht zuletzt, da es im Land trotz des personellen Wechsels an der Spitze kaum unabhängige Medien gibt und die wenigen Radio- und Fernsehanstalten durch Staatsfunktionäre kontrolliert werden und regierungskritische Stimmen kaum hörbar sind. Aber genau über die sozialen Medien erreicht der Wahlkampf der MDC-T die für sie passende Zielgruppe - die Jugend.

Seit Bekanntgabe des Wahltermins wird mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Kandidaten gerechnet. Auch eine aktuelle Umfrage des südafrikanischen »Afrobarometer« nennt 40 Prozent für Mnangagwa und 37 Prozent für Chamisa. Letzterer glaubt an einen Wahlsieg von MDC-T. Er rechne »mit einem Stimmenanteil von 70 bis 80 Prozent«, teilte er dem »nd« in einem Gespräch mit. Das Programm seiner Partei stütze sich auf fünf Säulen: gute Regierungsführung, Stärkung der Wirtschaft, Beschäftigung mit sozialen Fragen, Ausbau der Infrastruktur und internationale Solidarität. Es orientiere sich an sozialdemokratischen Grundsätzen. Ob und wie viel Substanz sich hinter diesen Schlagwörtern verbirgt, ist unklar. Seine Kritiker zweifeln an der Fähigkeit der Partei, Regierungsverantwortung zu übernehmen und diese auszufüllen. Zu groß seien auch die internen Machtkämpfe, um einen starken einheitlichen Wahlkampf zu führen.

Chamisa selbst spricht ganz konkret die Angehörigen der Ndebele-Ethnie an und bringt damit einen zusätzlich emotional aufgeladenen Aspekt in den Wahlkampf. In einem jüngeren Aufruf sprach er sich gegen eine »Shonaisierung« des Landes aus und verdeutlichte dies am Beispiel des Justizministeriums und den Justizangestellten. Das Ministerium sei durchgängig durch Angehörige der Shona-Ethnie besetzt und mit seiner Präsidentschaft werde er sich deutlich für stärkere Rechte der Ndebele einsetzen. Das Gespenst »kenianischer Verhältnisse« geht um. Nach den Wahlen 2007 in Kenia kamen mehrere hundert Personen bei ethnisch-basierter Gewalt um.

Mnangagwa und weitere Minister seines Kabinetts buhlen derweil aggressiv um Investoren. Ideen für eine armutsorientiere Wirtschaftspolitik, so zum Beispiel für Reformen und Investitionen zur Unterstützung von Kleinbauern, eine progressive Steuerpolitik oder das Nutzen von Bergbaueinnahmen spielen eine eher untergeordnete Rolle. Ein demokratischer und wirtschaftlichen Aufbruch des Landes ist noch nicht abzusehen.

Andreas Bohne arbeitet im Afrikareferat bei der Rosa Luxemburg Stiftung; Katrin Voß ist Mitarbeiterin des Bereichs Internationale Politik bei DIE LINKE.

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