»Abrahams Kinder« in Gifhorn
Bundesweit erster christlich-muslimischer Kindergarten eröffnet
Katholische Mädchen und Jungen bekommen ein Mittagessen, das nach islamischen Religionsregeln »halal« zubereitet wurde, kleine Muslime lassen sich von ihren Spielkameraden erzählen, welches biblisch überlieferte Ereignis viele Menschen zu Weihnachten feiern und schwärmen ihrerseits vom Zuckerfest nach dem Fastenmonat Ramadan - im niedersächsischen Gifhorn gibt seit Kurzem eine Zwei-Religionen-Kindertagesstätte. »Abrahams Kinder« heißt sie, benannt nach »Erzvater« Abraham, der sowohl für Juden als auch für Christen und Moslems hohe Bedeutung hat.
Von diesen drei monotheistischen, also an einen einzigen Gott glaubenden Religionen, sind in der Gifhorner Kita allerdings nur zwei vertreten: Christen und Muslime. Gern, so heißt es aus dem Kreis der Initiatoren, hätte man auch Mädchen und Jungen mosaischen Glaubens aufgenommen, doch in Gifhorn gebe es keine jüdische Gemeinde. Zurzeit beherbergt das Haus - nach Angaben der Stadt das bundesweit erste dieser Art - 15 ein- bis fünfjährige Kinder. Sie kommen in etwa je zum Drittel aus christlichen, muslimischen und konfessionslosen Familien.
Das Ziel - ein gutes Miteinander zu leben und Vorurteile abzubauen - wird auch im organisatorischen Unterbau der Tagesstätte sichtbar. Getragen wird sie von der katholischen St.-Altfrid-Gemeinde, der evangelischen Dachstiftung Diakonie und der DiTiB-Moschee. Religion soll durchaus im Kindergarten erfahrbar werden, aber weder wolle man dort missionieren noch irgendwie bekehren, ist aus Gifhorn zu hören. Wenn die Kinder singen oder beten, sollen Texte verwendet werden, mit denen sich alle Beteiligten identifizieren können.
Begrüßt wird es bei »Abrahams Kindern«, wenn sich nicht nur die Kleinen, sondern auch ihre Eltern begegnen. Zwei-Religionen-Kita - das gilt auch für deren Personal. Sowohl christliche als auch muslimische Erzieherinnen werden in der Einrichtung beschäftigt. Ihrer Leiterin Linda Minkus - sie ist katholisch - ist es wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Kinder »mit gegenseitiger Anerkennung begegnen und voneinander lernen können«.
Menschen, die in punkto gegenseitiger Anerkennung offenbar noch viel zu lernen haben, nahm der evangelische Landessuperintendent Diether Rathing in seiner Ansprache zur Eröffnung des Kindergartens ins Visier: »Jedem von uns fallen wohl Zeitgenossen ein, denen der Besuch dieser Kita gut getan hätte«, sagte der Geistliche. Alle wusste, wem diese Worte gewidmet waren: der AfD, aus deren Reihen ein Ratsherr das Projekt schon im Vorfeld als »gescheitert« diskriminiert und gegen dessen Leitbild der »bunten Vielfalt‹« gepoltert hatte.
Wie erfolgreich jedoch ein solches Projekt sein kann, hat sich im Westen Niedersachsens gezeigt: In Osnabrück erweitert ein vor sieben Jahren gegründeter jüdisch-christlicher Kindergarten - der erste im Bundesgebiet - das Tagesstättenangebot. Eine Kita für alle drei abrahamitischen Religionen gibt es bislang nicht in Deutschland, doch sie ist bereits seit 2015 geplant: In Berlin-Moabit. Das Projekt soll 2021 starten und 45 jüdische, christliche und muslimische Kinder aufnehmen.
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