Müssen Pauschalreisende für Heimflug auf eigene Faust auch selbst bezahlen?

Aktuelles Urteil des BGH

  • Lesedauer: 4 Min.

Der Fall: Ein Ehepaar mit zwei Kindern hatte eine Pauschalreise in die Türkei für 4874 Euro gebucht. Der Rückflug wurde allerdings zum Problem. Denn der Flieger hätte gegen 20 Uhr Richtung Frankfurt am Main abheben sollen. Aber der Start verzögerte sich bis 22.40 Uhr. Zudem flog die Maschine nicht nach Frankfurt am Main, sondern nach Köln. Von dort sollte es dann einen Bustransfer nach Frankfurt geben. Insgesamt ergab sich somit eine Verspätung am Zielort Frankfurt am Main von sechseinhalb Stunden.

Das Ehepaar wollte das nicht mitmachen und nahm die Sache am Flughafen von Antalya selbst in die Hand. Ohne Rücksprache mit dem Reiseveranstalter buchte sich die Familie einen anderen Flug direkt zurück nach Frankfurt am Main. Die Kosten von 1235 Euro forderten sie vom Veranstalter ein. Der weigerte sich, für die Kosten aufzukommen. Schließlich habe die Familie den Mangel nicht angezeigt und auch keine Frist zur Abhilfe gesetzt.

In den Vorinstanzen hatten die Pauschalreisende mit ihrer Klage keinen Erfolg. Nach Auffassung des Amtsgerichts Köln vom 14. März 2016 hätten die Touristen den Veranstalter anrufen können und müssen, um ihm eine Chance zu geben, eine Lösung zu finden.

Nun musste der BGH über den den Streitfall entscheiden. Nach Urteil des BGH vom 3. Juli 2018 (Az. X ZR 96/17) müssen Pauschalreisende den Reiseveranstalter zwar eigentlich auf Mängel hinweisen, wenn der Veranstalter aber auf diese Pflicht in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht ausdrücklich hingewiesen hat, können die Kunden auch ohne Mängelanzeige und Abhilfefrist Ersatzansprüche haben. Da der Reiseveranstalter es unterlassen habe, auf die entsprechende Rügepflicht hinzuweisen, könne er sich weder auf die fehlende Mängelanzeige noch auf die unterbliebene Fristsetzung berufen. Daher müsse der Kölner Reiseveranstalter EWTC die Mehrkosten des Ersatzflugs bezahlen.

Nach Auffassung des BGH fand sich der obligatorische Hinweis versteckt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es macht auch nichts, dass das Ehepaar das Geld für den Ersatzflug nicht - wie 2014 noch vorgeschrieben - innerhalb eines Monats, sondern erst deutlich später zurückgefordert haben. Die Einmonatsfrist gilt wegen Neuerungen im Reiserecht seit dem 1. Juli 2018 nicht mehr. Jetzt sind nach dem Urlaub zwei Jahre Zeit.

Wegen des unterbliebenen Hinweises auf die generelle Rügepflicht musste der BGH nicht entscheiden, ob diese hier nach den konkreten Umständen überhaupt anwendbar war.

Weil EWTC keinen Anwalt zur Verhandlung geschickt hatte, erging die Entscheidung als sogenanntes Versäumnisurteil. Inhaltlich beruhe sie dennoch »auf einer vollständigen rechtlichen Prüfung«, betonten die Karlsruher Richter.

Was bedeutet das Urteil für andere Urlauber?

Sie haben es unter Umständen leichter, wegen Unannehmlichkeiten auf der Reise Geld zurückzufordern. Sind sie korrekt über ihre Pflichten informiert worden, müssen sie der Reiseleitung aber immer die Chance

geben, das Problem zu beheben. Die Frage, ob das auch zu später Stunde am Flughafen gilt, wenn schnelle Entscheidungen gefragt sind, hat der BGH offen gelassen.

Das klagende Ehepar - zwei Zahnärzte - hatten ihren Alleingang auch damit begründet, dass am nächsten Morgen in der Praxis Patienten gewartet hätten. Dieses Argument ließen die BGH-Richter nicht gelten. Denn dafür kann man den Veranstalter nicht verantwortlich machen. Bei einer Reise kann immer etwas dazwischenkommen. Hier muss sich jeder selbst sehr genau überlegen, wie viel Puffer er einplant.

Welche Rechte haben Reisende bei Flugverspätungen?

Eine mehrstündige Verspätung bei Charterflügen gilt als Reisemangel - genauso wie etwa Baulärm in der Hotelanlage oder ein viel zu kleines Apartment. Urlauber können wegen solcher Mängel beim Reiseveranstalter eine Minderung des Reisepreises durchsetzen. Unabhängig davon muss nach der EU-Fluggastrechteverordnung die Fluggesellschaft geradestehen: Bei mehr als drei Stunden Verspätung steht Reisenden eine Ausgleichszahlung zu - je nach Flugstrecke und Zeitverlust zwischen 250 und 600 Euro. Haben Reisende dieses Geld schon bekommen, ist das allerdings bei der Berechnung der Preisminderung zu berücksichtigen. Agenturen/nd

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