Kroation will »endlich eins« werden
Brückenbau mit EU-Geldern verärgert Nachbarland Bosnien, das vor den Internationalen Gerichtshof ziehen will
Mit Austern und Sekt - beides aus der Region, von der Halbinsel Pelješac - und feierlicher Übergabe der Projektunterlagen an den chinesischen Generalauftragnehmer fiel am Montag der offizielle Startschuss für den Bau einer Brücke über die Adria, durch die Kroatien »endlich eins wird«, wie Regierungschef Andrej Plenković formulierte. Denn derzeit ist Süddalmatien - die Region um Dubrovnik - eine Exklave und von den anderen Landesteilen durch einen 19 Kilometer breiten bosnischen Korridor getrennt. Darunter leiden Wirtschaft und Tourismus. Wer von Kroatien nach Kroatien will, muss vier Grenzkontrollen über sich ergehen lassen: zwei kroatische und zwei bosnische. Weil Bosnien nicht EU-Mitglied ist, werden dabei für Waren Aus- und Einfuhrpapiere nötig.
Die EU beteiligt sich daher mit 357 Millionen Euro am Bau der neuen Brücke. Das sind 85 Prozent der Gesamtkosten. Das Vorhaben ist das größte, das bisher mit EU-Mitteln auf der Balkanhalbinsel realisiert wurde. Läuft alles nach Plan - wie beim Bau der Großflughäfen in Zagreb und in Dubrovnik - sollen schon in 36 Monaten die ersten Autos über das 2,4 Kilometer lange vierspurige Wunderwerk der Ingenieurskunst rollen. In ähnlich rekordverdächtigem Tempo wurde im Mai eine ähnlich strategische Brücke in Betrieb genommen. Sie verbindet die Krim mit dem russischen Festland. Wie vor drei Jahren die Ukraine gegen die Krim-Brücke, läuft jetzt Bosnien-Herzegowina Sturm gegen das Adria-Pendant.
Der Bau, so die Regierung in Sarajevo, verletze Bosniens Souveränität und territoriale Integrität und verstoße gegen die UN-Seerechtskonvention. Der Verlauf der bosnisch-kroatischen Seegrenzen sei bisher nicht geklärt, die Brücke blockiere den Zugang zum offenen Meer. Supertanker und Containerschiffe könnten den Überseehafen Neum im bosnischen Korridor nicht anlaufen. Der indes existiert noch nicht mal auf dem Papier, sondern nur in den Köpfen von Politikern. Derzeit dümpeln an der Pier von Neum nur ein paar Fischer- und Segelboote vor sich hin. Einheimische wollen, dass das so bleibt. Mit dem Hafen wäre das Geschäft mit dem Tourismus futsch. Der Staatshaushalt - Bosnien gehört zu den ärmsten Ländern Europas - wäre damit ohnehin hoffnungslos überfordert. Ausländische Investoren sind auch nicht in Sicht. Es gibt genug Adriahäfen in Kroatien, und nicht einmal die sind voll ausgelastet
Bosnien will dennoch bei »internationalen Institutionen« klagen. Kroatien, so heißt es in einer Erklärung des Staatspräsidiums - der kollektiven Führung Bosniens - habe der Kommission in Brüssel den Streit zunächst verschwiegen und dann auf deren Abmahnung »unzureichend« reagiert. Gemeint ist ein Schreiben der EU-Generaldirektion für Regionalpolitik und Stadtentwicklung vom 29. September 2017 an das Ministerium für regionale Entwicklung in Zagreb. Darin fordert Generaldirektor Marc Lemaitre von Kroatien, »sämtliche Aktivitäten in Verbindung mit dem Bau der Brücke« bis zur Klärung aller strittigen Fragen zurückzustellen. Kroatien weist die Vorwürfe zurück: Mit dem Abstand zwischen den Brückenpfeilern und deren Höhe sei das Projekt den Forderungen Bosniens angepasst worden.
Brüssel habe Sarajevo vor der Finanzierungsentscheidung übergangen. Das sei nicht hinnehmbar, klagte am Dienstag der amtierende Vorsitzende des Staatspräsidiums, Bakir Izetbegović, bei dem Leiter der EU-Delegation in Bosnien, Lars Gunnar Wigemark. Dabei wedelte er mit einer von der EU-Kommission finanzierten Machbarkeitsstudie von 2014, in der es heißt, der Brückenbau könne zu einem internationalen Rechtsstreit führen. Den aber will Bosnien, wie ein hoher Regierungsbeamter anonym durchblicken ließ, nicht bei einem internationalen Schiedsgericht führen, das um Interessenausgleich bemüht ist, sondern vor dem Internationalen Gerichtshof, der allein nach dem Völkerrecht urteilt. Und das sei aufseiten Bosniens.
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