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Teure Pinkelpause an der Autobahn
Wissenschaftler schlägt vor, die privatisierten Raststätten wieder zu verstaatlichen
Endlich Sommerferien auch in Bayern und Baden-Württemberg: Millionen Reisende fahren mit dem Auto in den lang ersehnten Urlaub. Oder reisen wieder zurück Richtung Bremen oder Sachsen, wo die Schulferien in dieser Woche enden. Während der Fahrt leuchtet irgendwann die Tankanzeige, auf dem Beifahrersitz wird eine Pinkelpause angemahnt und von hinten wird zunehmend der Ruf nach Brause lauter. Also runter von der Autobahn. 430 Tank- und Rastanlagen liegen direkt an der Piste, 190 Autohöfe etwas abseits. Doch der kleine Umweg lohnt sich, meint der Autoclub »Mobil in Deutschland«, denn Raststätten bleiben weiterhin deutlich teurer als Autohöfe.
Gegenüber früheren Tests sind Raststätten sogar »noch teurer geworden«, sagt eine Club-Sprecherin. Beim Sprit gibt es Preisunterschiede von durchschnittlich mehr als 16 Prozent. 2016 waren es »nur« 10 Prozent gewesen. Bei Snacks und süßen Getränken schneiden Raststätten noch schlechter ab. Hier summieren sich die Unterschiede auf 25 Prozent.
»Nach dem Motto ›Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe‹ haben wir festgestellt, dass es an der Autobahn doch massive Preisunterschiede gibt«, zeigt sich die Mobil-Sprecherin überrascht. Extrem wird es beim Wasser, gerade in diesem heißen Sommer ein Verkaufsschlager: Das stille Wasser kostet im günstigsten Fall 1,25 Euro an einem Autohof - und im teuersten Fall 3,19 Euro an einer Tank&Rast-Anlage.
Der Autoclub Mobil hat bundesweit Preise und Leistungen an zehn Tank- und Rastanlagen sowie an zehn Autohöfen, die in der gleichen Region wie die Rastanlagen liegen, miteinander verglichen. Alle besuchten Einrichtungen liegen an vielbefahrenen Bundesautobahnen wie Flensburg-Füssen oder Berlin-München. Mobil-Vizepräsident Ralf Baumeister empfiehlt angesichts der großen Preisunterschiede: »Es lohnt sich genau hinzuschauen und im Vorfeld Preise zu vergleichen.«
Die hohen Preise könnten bald zum Politikum werden. Seit der Übertragung des früheren Bundeseigentums in die Hände der Tank&Rast GmbH, die nahezu alle der 430 Raststätten betreibt, regiert faktisch ein privates Monopol. Rund 500 Millionen Reisende werden laut Firmenangaben in diesem Jahr die Servicebetriebe von Tank&Rast nutzen, zu denen auch Hotels und Autohöfe gehören. Der Umsatz des Konzerns beträgt laut Bundesanzeiger über 1,2 Milliarden Euro (2016). Seit drei Jahren gehört das Unternehmen einem Konsortium aus deutschen und internationalen Finanzinvestoren, darunter Allianz und China Investment Corporation.
Wettbewerbshüter übersehen bislang das Quasimonopol. Das Bundeskartellamt verweist auf Vergleich-Apps im Internet und die angebliche Konkurrenz durch private Autohöfe. Überprüft hat die Behörde dies aber nicht. Dies wäre zweckmäßig, denn Autohöfe richten sich vor allem an professionelle Lkw-Fahrer. Und die Familienfahrt zu abseits gelegenen Autohöfen kostet Zeit und Geld. Was den Preisvorteil zumindest teilweise wieder auffrisst. Der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert wenigstens die teuren Pinkelpausen. Das Gutscheinsystem der Tank&Rast-Tochtergesellschaft Sanifair sei nicht wirklich fair.
Kritischer ist Tim Engartner von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Der Sozialwissenschaftler schlägt vor, die Eigentumsverhältnisse bei den Raststätten wieder zu ändern. »Man sollte darüber nachdenken, ob Raststätten nicht Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge sein sollten«, sagte der Buchautor (»Staat im Ausverkauf«) in einem Interview. Engartner hält eine Re-Verstaatlichung für sinnvoll, um das Quasi-Monopol von Tank&Rast zu brechen. Der Bund könnte dann »sozialverträgliche Preise« festschreiben.
Dafür könnte sich bald die geeignete Gelegenheit bieten: Anfang 2021 soll die neue Autobahngesellschaft ihre Arbeit aufnehmen. Von da an wird sich der Bund - noch tun dies die Länder - um das 13 000 Kilometer weite Autobahnnetz kümmern. Warum nicht auch um die Raststätten?
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