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Fossile unwirtschaftlich machen
Ökonomin Claudia Kemfert will, dass Deutschland wieder zum Vorreiter bei erneuerbarer Energie und Klimaschutz wird
Deutschland leidet seit einigen Wochen unter einer extremen Hitzewelle. Sicher, eine solche gibt es nicht zum ersten Mal, doch extreme Wetterereignisse treten immer häufiger und intensiver auf. Der von Menschen verursachte Klimawandel spielt dabei eine Rolle, der Planet heizt sich auf. Ausgedehnte Hitzeperioden, Dürren, Überschwemmungen infolge von Starkregen oder Hurrikane sind die Folgen. Dieser Sommer macht den Klimawandel auch in unseren Breitengraden für viele Menschen »erlebbar«. Zum ersten Mal seit langer Zeit berichten Medien wieder über die Entstehung und die Auswirkungen des Klimawandels und die Notwendigkeit des Klimaschutzes.
Extreme Wetterereignisse führen zu erheblichen volkswirtschaftlichen Schäden, die ungleich höher sind als die Kosten eines effektiven Klimaschutzes. Die bisher betriebene Klimapolitik war jedoch weltweit wenig erfolgreich. Seit der Unterzeichnung des ersten Klimaabkommens vor über 20 Jahren sind die Treibhausgasemissionen global um rund 60 Prozent gestiegen. Es ist höchste Zeit, endlich gegenzusteuern!
Bis zur Mitte des Jahrhunderts müssen die Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent sinken, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden. Das gelingt nur, wenn die Wirtschaft nahezu vollständig dekarbonisiert wird, also weitestgehend auf die Verbrennung fossiler Energieträger verzichtet und auf erneuerbare Energien und konsequentes Energiesparen setzt. Strom aus Sonne und Wind wird immer preiswerter, die Investitionen steigen. Deshalb bäumt sich die fossile Lobby auf und setzt alle Hebel in Bewegung, um diese Entwicklung zu stoppen. Staatenlenker lassen sich instrumentalisieren und fördern ganz unverhohlen die fossile Industrie. Der beste Weg, sich aus derartigen Energiekriegen rauszuhalten, ist, effektiven Klimaschutz zu betreiben und den Umstieg auf erneuerbare Energien konsequent zu vollenden.
Der Einsatz erneuerbarer Energien bringt viele Vorteile. Durch Innovationen und mehr Energieeffizienz entstehen Kosten- und Wettbewerbsvorteile, zukunftsweisende Investitionen schaffen Wertschöpfung und Arbeitsplätze.
Vor knapp 20 Jahren legte Deutschland in Sachen Energiewende einen ganz guten Start hin. Leider sind wir in den vergangenen Jahren vom einstigen Vorreiter zum Nachzügler geworden. Deutschland verfehlt das eigene Klimaziel, die Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken, genauso wie die in Europa vereinbarten Ausbauziele erneuerbarer Energien. Statt den Kohleausstieg voranzubringen, werden alte und dreckige Kraftwerke künstlich am Netz gehalten. Es werden Gespensterdebatten um angeblich fehlende Stromleitungen und Speichermöglichkeiten geschürt, mit dem Ziel, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu drosseln.
Hinzu kommt: Trotz des Dieselskandals gibt es keine konsequente Verkehrswende, die auf die Einführung einer blauen Plakette, die Anhebung der Dieselsteuer, die Einführung von Elektrofahrzeugquoten samt Ausbau der Ladeinfrastruktur und Förderung des Schienenverkehrs setzt. Mit der Anhebung der Dieselsteuer auf das Niveau der Benzinsteuer könnten zusätzliche Steuereinnahmen von bis zu neun Milliarden Euro generiert werden, die man in den Ausbau der Ladeinfrastruktur und in die Förderung des Schienenverkehrs stecken könnte. Die Energiesteuern müssen insgesamt reformiert werden. Strom ist zu hoch, fossile Energien - allen voran Diesel - sind viel zu niedrig besteuert. Eine konsequent auf Klimaschutz ausgerichtete Steuerreform sollte vor allem die Nutzung von Heizöl, Diesel und Benzin deutlich unwirtschaftlicher machen. Die Steuereinnahmen stünden dann für die energetische Gebäudesanierung und den Umbau des Verkehrssystems zur Verfügung, so dass die umweltbewussten Heizungs- und Autokäuferinnen und -käufer finanziell bevorteilt würden.
Statt die erneuerbaren Energien weiter klein zu halten, sollten Anreize für den Zubau lastnaher und dezentraler Produktionskapazitäten geschaffen werden, samt optimiertem Lastmanagement und dezentraler Smart Grids und Speicher. Der Kohleausstieg muss heute eingeleitet werden und bis 2030 abgeschlossen sein. Energiesparmaßnahmen im Gebäudebereich sollten forciert und die Verkehrswende auf den Weg gebracht werden. Nur dann haben unser Klima und Deutschland als Wirtschaftsstandort eine nachhaltige Chance. Es ist höchste Zeit!
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