»Die AfD hat ihre Chance vertan«

Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstätte Buchenwald, über sein Treffen mit dem Politiker Stephan Brandner

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie haben sich am Mittwoch mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner getroffen. Sie hatten ihn im Vorfeld aufgefordert zu den »geschichtsrevisionistischen und antidemokratischen« Positionen in seiner Partei Stellung zu beziehen. Hat er das getan?

Nein, er hat die grundsätzliche Klärung verweigert und ist auf keine Frage eingegangen. Deswegen konnten wir mit ihm auch nicht in ein sachliches und inhaltliches Gespräch über Gedenkstättenarbeit einsteigen. Wir hatten uns entschieden, ihn wie jeden Bundestagsabgeordneten zu behandeln. Da seine Partei aber geschichtsrevisionistische Positionen vertritt und sich immer wieder für das rechtsextreme Feld öffnet, wollten wir diese Fragen vorschalten. Die Chance für Klärung zu sorgen, hat er aber verspielt.

Volkhard Knigge
Volkhard Knigge ist Historiker und Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Am Mittwoch traf er sich mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner. Niklas Franzen sprach mit Knigge über den Besuch und Gedenkstättenarbeit in Zeiten einer erstarkenden Rechten.

Was hat er in dem Gespräch gesagt?

Er hat bestritten, dass es Geschichtsrevisionismus in der AfD gibt und wollte die Äußerungen anderer Mitglieder seiner Partei nicht kommentieren. Und er hat sich auch explizit hinter Björn Höckes Positionen gestellt.

Höcke hatten Sie im vergangenen Jahr den Zugang zur Gedenkstätte verwehrt. Warum haben Sie sich nun mit Brandner getroffen?

Wir haben Höcke ein Hausverbot für alle Gedenkveranstaltungen erteilt, weil er sich offen revisionistisch geäußert hat. In seiner Dresdner Rede hat er dafür plädiert, die Erinnerungskultur komplett um 180 Grad zu drehen. Solche zugespitzten Äußerungen gibt es von Brandner nicht. Deswegen haben wir ihm die Chance geboten, sich zu erklären.

Die LINKE kritisiert, Sie hätten Brandner und seinen Positionen eine Plattform gegeben.

Ich glaube, das wird durch die breite öffentliche und internationale Resonanz komplett widerlegt. Es gibt eine überwältigende Zustimmung zu unserer Haltung. Selbst die »FAZ« hat das sehr konstruktiv aufgenommen. Ich glaube, wir haben ihn und die Politik dieser Partei ziemlich deutlich entlarvt. Das war auch unser Ziel. Wir wollten mit ihm über Grundfragen demokratischer Erinnerung und Geschichtskultur sprechen. Wir haben aber natürlich nicht damit gerechnet, dass jemand über Nacht vom Saulus zum Paulus wird.

Brandner hat ihrer Stiftung politische Agitation vorgeworfen.

Er hat eine ziemlich eindimensionale Linie konstruiert. Die Gedenkstätte und die Stiftung seien angeblich von stalinistischen Linksradikalen okkupiert. Das ist natürlich extrem abstrus und schlagseitig. Er hat versucht, eine ideologische Linie zu konstruieren und uns zu unterstellen, dass wir den Paragraf 2 des Stiftungsgesetzes unterlaufen und Rechtsverletzungen begingen. Und er hat die gesellschaftspolitische Funktion von Stiftungen in Frage gestellt: Nämlich historische Erfahrungen auch in der Gegenwart öffentlich zu benennen. Brandner hat also die gesellschaftspolitische Frühwarnfunktion, die Gedenkstätten wichtig machen, bestritten.

Würden Sie sich wieder mit jemanden von der AfD treffen?

Die AfD hatte jetzt ihre Chance. Sie hat sie vertan. Also nein.

Wird es durch die AfD und den Rechtsruck schwieriger, das Gedenken an die Shoah aufrecht zu erhalten?

Das ist eine gesellschaftliche Frage. Die selbstkritische Auseinandersetzung mit Geschichte musste immer erstritten werden. Und sie muss heute um so mehr verteidigt werden. Bei der AfD haben wir es mit einer Partei zu tun haben, die dieses Land übernehmen und komplett umkrempeln will. Ihr Geschichtsrevisionismus hatte immer den Zweck das klare Bewusstsein, über die Entstehungsgeschichte des Nationalsozialismus zu verschleiern. Denn: Mit diesem Bewusstsein erkennt man auch die braunen Flecken auf dem angeblich weißen Hemd der AfD.

Und wie äußert sich das für sie als Gedenkstätte?

Wir machen zwei Erfahrungen. Auf der einen Seite gibt es immer mehr Besucherinnen und Besucher, die man als Bekenntnis-Besucher bezeichnen könnte. Diese Menschen wollen ein deutliches politisches Zeichen gegen den extremen Rechtsruck setzen. Und wir machen die Beobachtung, dass immer mehr Besucher und auch aktive Politiker Gedenkstätten wieder als zentral für die Gegenwart betrachten. Also nicht nur als Orte historischer Rückschau, sondern als Orte, in denen man sensibilisiert wird, wie Gegenwart ins Menschenfeindliche gedreht werden kann und wie wichtig es ist, sich dagegen zu wehren.

Sie haben geschrieben, dass Sie alles dafür tun werden, »die inhumanen Ziele der geschichtsrevisionistischen antidemokratischen Positionen in der AfD aufzudecken und zu durchkreuzen«. Was heißt das konkret?

Das heißt, dass wir da weitermachen, woran wir seit 20 Jahren arbeiten. Wir machen keine sentimentale Erinnerungsarbeit und gucken nicht nur auf die Welt hinter dem Stacheldraht, sondern fragen auch, was für eine Politik und Gesellschaft dahintersteht. Für uns ist es wichtig, sich nicht nur im luftleeren Raum mit dem Leid der Opfer zu identifizieren, sondern sich klar zu machen, mit welchen politischen Mitteln und Interessen Gesellschaftsverbrechen fabriziert werden. Opfer und Täter fallen nicht vom Himmel und sind auch nicht naturgegeben.

Welche Rolle spielt die Trauer in ihrer Arbeit?

Weinen allein bildet nicht. Wer sich auf die Geschichte des nationalsozialistischen Zivilisationsbruchs einlässt, der wird natürlich auch traurig. Es gibt eine emotionale Dimension - und die soll nicht diskreditiert werden. Aber wer den »Warum«-Fragen ausweicht und nicht konkret nach der Verursachung und Unterstützung von Verbrechen fragt, der denkt und fühlt zu kurz.

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