Frauen bei der türkischen Rechten

Wissenschaftlerin Lena Wiese über die Rolle weiblicher Mitglieder der Grauen Wölfe

  • Dennis Pesch
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie haben mit sechs Frauen aus Deutschland Interviews über ihre politischen Aktivitäten bei den rechtsradikalen türkischen Grauen Wölfen geführt. Warum sind Frauen dort politisch aktiv?

Alle diese Frauen meinten, dass es ihnen in die Wiege gelegt worden sei. Die Familie war politisch aktiv, was dann über Generationen so weitergegeben wurde. Gleichzeitig war es den Frauen wichtig zu betonen, dass sie sich in einem gewissen Alter ganz bewusst dafür entschieden haben, in die Vereine zu gehen, um sich einzubringen.

Lena Wiese
Lena Wiese ist Sozialwissenschaftlerin mit den Schwerpunkten Migration, Gender und Ausgrenzungspraktiken. In ihrer Masterarbeit hat sie sich mit der Rolle von Frauen im türkischen Rechtsradikalismus beschäftigt. Dafür interviewte sie sechs in Deutschland lebende Personen. Mit Lena Wiese sprach für »nd« Dennis Pesch.

Wie sieht das genau aus?

Sehr unterschiedlich. Das fängt beim Kochen und Backen für Vereinsfeste an, kann aber auch die Öffentlichkeitsarbeit betreffen, also zum Beispiel die Facebook-Seite zu verwalten. Ein großer Faktor ist die Leitung von Mädchengruppen. Die Frauen übernehmen viel von der Nachwuchsrekrutierung, weil die Vereine das Potenzial der jungen Mädchen für sich nutzen wollen. Selten übernehmen Frauen Machtpositionen in den Vereinen, sind also kaum in Vereinsgremien vertreten.

Was passiert in den Mädchengruppen?

Der Zugang ist zunächst sehr niederschwellig. Alles, was die Mädchen interessiert, kann Thema sein, ob Probleme in der Familie oder der neue Eyeliner. Später wird erst der politische Inhalt mitgeteilt. Es gibt Wochenendseminare über die türkische Geschichte oder Theateraufführungen, wo die Mädchen sich mit ultra-nationalistischen Ideologien auseinandersetzen. Auf solchen Ausflügen entsteht ein Gruppengefühl, das für die jungen Mädchen und Frauen sehr wichtig ist.

Welche Rolle vermitteln die Frauen den Mädchen?

Dort wird das Verständnis einer konservativen Weiblichkeit weitergegeben. Das heißt, Frauen sollen das Beiwerk des Mannes sein. Die Frauen können schon aktiv sein, solange es nicht die zugewiesene weibliche Sphäre überschreitet, so lange es nicht auf Unwillen von Seiten der Männer stößt. Das vermittelt den Frauen, dass sie für die Vereine wichtig sind.

Wie treten Frauen denn auf Demonstrationen auf?

Das Verhalten von Frauen dort ist schon gegensätzlich zu dem, wie ich das Rollenverständnis von Frauen in Vereinen habe beobachten können. Frauen sind da sehr laut, aggressiv und dominant, weil sich die Demos außerhalb des Spektrums der Vereine befinden. So äußern sich Frauen aber auch in sozialen Medien. In den Kommentarspalten werden ganz krasse ultra-nationalistische Positionen vertreten, also auch Rassismus und Antisemitismus.

Die Frauen tragen ihre Ideologie also sehr offen nach außen?

Ja und nein. Das Weiterverbreiten des eigenen Weltbildes steht stark im Vordergrund und ist auch das Motiv, warum die Frauen bei Facebook so aktiv sind oder im Klassenzimmer argumentieren, dass es keinen Genozid an den Armeniern gegeben habe. Sie achten aber darauf, mit wem sie worüber sprechen, das wird ihnen auch in Seminaren beigebracht. Das entspricht der Strategie der Vereine, die nach außen wie harmlose Kulturvereine wirken wollen. Bei sogenannten Kulturfesten, wird jedoch der Nationalismus gepflegt, der auf den ersten Blick nicht sichtbar ist.

Und so etwas machen besonders Frauen?

Das machen auch Frauen. Sie eignen sich besser für die Repräsentation der Vereine, weil mit Frauen häufig noch das Bild der friedfertigen, apolitischen Frau verbunden wird, wo man erst mal nicht vermutet, dass diese Frau menschenverachtende Einstellungen teilt.

Welche Rolle spielt der Islam für die Frauen bei den Grauen Wölfen?

Die Frauen sagen, dass sie Feminismus und Gleichberechtigung nicht brauchen, weil sie durch den Islam ihre Rolle haben. Der Islam hilft also dabei, diese Hierarchisierung der Geschlechter in den Vereinen zu legitimieren. Das wird von den meisten Frauen auch nicht angezweifelt und als normal verstanden. Das Geschlecht ist dabei auch ein Mittel der Politisierung. Es wird schon gesagt: »So, wir Frauen machen jetzt mal was«, also hat es schon etwas von einer Ermächtigung - aber immer nur im Sinne der patriarchalen Struktur.

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