- Politik
- CDU und AfD in Sachsen
Anbandeln vor der »Zäsurwahl«
In Sachsen formiert sich ein Lager, das eine schwarz-blaue Koalition verhindern will
Am 1. September 2019 wird in Sachsen der Landtag gewählt. Bisher hielt sich an solchen Tagen die Spannung in Grenzen. Interessant war anfangs nur, wie groß die absolute Mehrheit der CDU ausfällt; seit 2004 ist die Frage, welche Partei ein bisschen mitregieren darf. Nächstes Jahr könnte der Freistaat indes Geschichte schreiben. Selbst wenn die AfD nicht erneut, wie bei der Bundestagswahl 2017, stärkste Partei wird, könnte sie erstmals in einer Landesregierung landen. Einer Umfrage vom Juni zufolge wäre eine schwarz-blaue Liaison - neben einer von beiden Seiten strikt ausgeschlossenen Politehe aus CDU und LINKE - das einzig mögliche Zweierbündnis.
Alternative: eine bisher nie erprobte Viererbeziehung aus CDU, SPD, Grünen und FDP. Johannes Lichdi ist überzeugt, dass sich die erzkonservative sächsische CDU im Zweifel für die AfD entscheiden würde. Ihr liege an einer »Heilung der schmerzlich empfundenen Spaltung ihrer eigenen Wählerschaft«, schrieb der grüne Ex-Landtagsabgeordnete im Juni in einer viel beachteten Analyse. In deren Titel prophezeit er nüchtern: »Sachsen wird schwarz-blau.«
Die Hauptschuld an Verhältnissen, die den Rechtsruck denkbar werden lassen, gibt Lichdi der CDU. Ein Scherflein beigetragen hat seiner Überzeugung nach indes auch die Opposition. Sie versage »seit Jahren vor ihrer verfassungspolitischen Aufgabe und Pflicht, eine glaubwürdige und wählbare Alternative (...) zu erarbeiten«, schreibt der erklärte Befürworter rot-rot-grüner (oder, wie unter seiner Beteiligung seit 2014 im Stadtrat von Dresden praktiziert, rot-grün-roter) Bündnisse: »Während sich die Rechte radikalisiert, verharrt die linke Seite (...) in ihrer Unfähigkeit zur strategischen Zusammenarbeit.« Ähnlich sieht es Silvio Lang, seit Ende 2017 Landesvize der LINKEN. Er kennt die Kooperation in Dresden aus eigenem Erleben. Auf Landesebene aber, stellte er in einer Replik auf Lichdis Text kürzlich fest, »herrscht Funkstille«.
Vor vier Jahren hatte immerhin die LINKE im Wahlkampf für R2G geworben, was wegen geringer Aussichten auf eine Mehrheit intern freilich nicht unumstritten, geschweige denn durch Gespräche über gemeinsame Projekte vorbereitet gewesen wäre. Die SPD dagegen hielt sich alle Türen offen und spekulierte - am Ende erfolgreich - auf eine Koalitionsanfrage der CDU. Bei den Grünen robbte sich Spitzenkandidatin Antje Hermenau gegen den Willen vieler Parteifreunde ebenfalls an die CDU heran.
Nach der Wahl, bei der die AfD mit 9,7 Prozent ihren ersten Erfolg erzielte, das linke »Lager« aber in Summe nur auf 37 Prozent kam, redete zunächst keiner mehr davon, gemeinsam an einem Strang zu ziehen - auch die LINKE nicht. Erst jetzt kommt wieder Bewegung in die Sache - zwölf Monate vor einer Abstimmung, die Sachsens Grüne eine »Zäsurwahl« nennen. So steht es in einem Antrag für eine Landesdelegiertenkonferenz Ende August, in dem in überraschender Klarheit aufgerufen wird, die rechtskonservative Wende zu verhindern - indem die politische »Macht der CDU« gebrochen werden soll. Deren aktuelle Anbiederung führe das Land in die Unregierbarkeit oder »in die Hände der AfD«. In Abgrenzung dazu wolle man für »zentrale Werte unserer Gesellschaft und der Demokratie« eintreten und den »Kampf« für »ein anderes Sachsen« aufnehmen. Zu dem Zweck sei man auch bereit, mit allen ähnlich Gesinnten »ins Gespräch zu kommen«.
Die LINKE reagierte aufgeschlossen. Ein linkes Lager müsse verhindern, dass der Freistaat »in Schwarz-Braun versinkt«, sagte ihr Landesgeschäftsführer Thomas Dudzak. Er merkte an, das »Signal der Bereitschaft, für ein anderes Sachsen zu kämpfen«, habe vor früheren Wahlen gefehlt. Diesmal soll das anders sein - wobei die »Aufgabe nicht zuerst darin besteht, an numerischen Mehrheiten zu basteln«. Die sind momentan auch nicht in Sicht; die Umfrage vom Juni sieht die R2G-Parteien gar nur bei 34 Prozent.
Vielleicht, so die Hoffnung, ändert sich das, wenn Wähler erkennen können, dass und wofür das Lager steht. Man müsse, sagt Dudzak, einen »gesellschaftlichen Ansatz (...) tragfähig machen, der auf gemeinsamen Wertevorstellungen aufbaut« - und durch Projekte untersetzt wird. Darauf hatte zuvor schon Landesvize Lang gedrängt. In einem Antrag für den Parteitag der sächsischen LINKEN am 25. August fordern er und sein Bautzener Genosse Bruno Rössel ihre Partei auf, Gespräche »ohne Vorbedingungen« auf allen politischen Ebenen mit SPD und Grünen zu führen. Ziel sei es, die bisherige »Sprachlosigkeit« zu überwinden und ein »Lager der Solidarität« zu formen. Die Grünen scheinen bereit. Ob die SPD in ein solches Lager überwechselt, ist offen.
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