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»Ohne Revolution kein Bauhaus«
Der Künstlerische Leiter des Kunstfests Weimar, Christian Holtzhauer, will die Begriffe Kunst und Fest wörtlich nehmen
In wenigen Wochen startet das letzte Kunstfest unter Ihrer Leitung zum Thema Bauhaus. Die Kunstschule war gerade mal sechs Jahre in Weimar, Sie ziehen nach fünf Jahren weiter. Gibt es Parallelen?
Vielleicht fange ich mal mit meiner Situation an. Es war eine sehr reizvolle Aufgabe, das Kunstfest in Weimar von Nike Wagner übernehmen zu können, aber auch neu konzipieren zu dürfen und zu müssen. Da ist uns viel gelungen. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Kunstfest ein kleines Festival ist. Die finanziellen Möglichkeiten sind begrenzt, die Förderung ist seit vielen Jahren konstant. Für mich war klar, dass ich irgendwann größere Brötchen backen möchte. Daher verlasse ich Weimar in Richtung eines großen Theaters, das auch ein Festival hat.
Christian Holtzhauer, geb. 1974 in Leipzig, hat Musik- und Theaterwissenschaft in Berlin und Toronto studiert. Seit 2013 ist er Künstlerischer Leiter des Kunstfests Weimar. Ab dem 1. September dieses Jahres wird er als Intendant des Schauspiels am Nationaltheater Mannheim tätig sein. Mit ihm sprach Doris Weilandt.
Keine Ähnlichkeit mit der Situation des Bauhauses?
Es gibt natürlich eine Parallele. Alles, was neu ist, hat es schwer - nicht nur in Weimar, aber in Weimar vielleicht besonders, weil sich die Stadt so über die Vergangenheit definiert und dabei in Vergessenheit gerät, dass man die Langzeitwirkung oft erst viel später ermessen kann. Das Bauhaus war 1919 höchst umstritten. Es war vielen zu modern, aber vor allem zu teuer. Das ist tatsächlich eine interessante Analogie zum Kunstfest, das in der programmatischen Ausrichtung die Weimarer Bevölkerung auch gespalten hat. Es wurde aber nie gesagt: »Das gefällt uns nicht«, sondern immer nur: »Es ist zu teuer.«
Sie sprachen zu Beginn Ihrer Arbeit davon, das Kunstfest neu zu erfinden. Was war damit gemeint?
Ich hatte mir 2013 vorgenommen, das Kunstfest wieder allen Künsten zu öffnen. Bis dahin hatte es einen sehr starken Fokus auf klassische Musik. Für mich war klar, dass es wegrücken musste zur zeitgenössischen Kunst. Mich haben die Hybridformen interessiert und eine internationale Öffnung. Im Mittelpunkt sollten die Werke von lebenden Künstlern stehen. Das war der erste Ansatzpunkt. Der zweite war: Es sollte unbedingt auch ein Fest sein, das viele verschiedene Menschen über den Anlass der Kunst zusammenbringt. Und meine Aufgabe als Gastgeber ist es, dafür zu sorgen, dass sich alle wohlfühlen.
Welche Rolle spielte für Sie die Stadt mit ihrer großen Geschichte und den vielen klangvollen Namen?
Das war der dritte Punkt: ein Festival in einer Stadt zu machen, die sich vor allem über ihre Vergangenheit definiert. Wir wollten Weimar zum Thema und zum Hauptakteur des Kunstfestes machen, was zur Folge hatte, dass wir uns in vielen Projekten mit der Stadt, mit ihrer Geschichte, mit ihren Bewohnern auseinandergesetzt haben. Über die Jahre hat sich die zentrale Frage herauskristallisiert, wie Künstler heute produktiv mit Vergangenheit umgehen. Das hat sich wie ein roter Faden durch alle Festivalausgaben gezogen. Letztlich ging es mir immer darum, die Begriffe Kunst, Fest und Weimar wörtlich zu nehmen.
Das Kunstfest ist unter Ihrer Leitung viel stärker unters Volk gegangen, als das vorher der Fall war. Was wollten Sie erreichen?
Als ich nach Thüringen kam, haben mir viele Weimarer gesagt: »Kunstfest kennen wir, aber wir gehen nicht hin. Das ist nicht für uns.« Mir war klar, dass ich große Anstrengungen unternehmen musste, um das Publikum zu gewinnen. In Weimar ist der öffentliche Raum zudem historisch enorm aufgeladen, auch weil er aus so verschiedenen Perspektiven betrachtet wird. Die Leute, die hier leben, betrachten ihn anders als die Touristen. Mit Kunst im öffentlichen Raum neue Perspektiven auf Weimar zu öffnen und zugleich die Kunst dorthin zu tragen, wo man sie nicht vermutet, war eine reizvolle Aufgabe.
Sie haben mit einigen Projekten im öffentlichen Raum künstlerisches Neuland betreten, die vorher sehr umstritten waren - und hatten Erfolg.
Wir haben etwa im letzten Jahr mit dem Projekt »Bewegtes Land« auf der Bahnstrecke zwischen Jena und Naumburg verschiedene Genres gemischt und die Kunst bis in die sozialen Netzwerke getragen. Das Kunstfest muss all die Dinge machen, die die Institutionen, die hier das ganze Jahr arbeiten, nicht machen. Unsere Aufgabe ist es, in die Lücken hineinzustoßen und den internationalen Austausch zu befördern, der jenseits der Metropolen kaum stattfindet.
Weimar und das Dritte Reich: Welchen Schwerpunkt haben Sie für die künstlerische Auseinandersetzung mit diesem Thema gewählt?
Ich wollte mich an diesem Kapitel der deutschen Geschichte abarbeiten, aber aus immer wieder anderen Blickwinkeln. Daher hatte ich das »Konzert für Buchenwald«, mit dem Nike Wagner das Kunstfest immer eröffnete, abgeschafft, weil mir diese Form von Ritualisierung des Gedenkens suspekt war. Wir hatten dafür fantastische Gastspiele, die in Weimar besondere Brisanz entwickelten. Und wir haben uns mit der Rezeptionsgeschichte von Hitlers »Mein Kampf« beschäftigt - in der Aufführung von Rimini-Protokoll und mit Peter Weiss.
Das Kunstfest 2017 war Ihr erfolgreichstes Festival. Wie erklären Sie sich das?
Es war schon zum Zeitpunkt meiner Bewerbung klar, dass ich mich 2017 mit dem Jahrestag der Russischen Revolution beschäftigen würde, weil dieses Ereignis das 20. Jahrhundert geprägt und diesen Teil des Landes bis 1989 maßgeblich beeinflusst hat. Dazu kommt ein wachsendes Unbehagen an der vermeintlichen Alternativlosigkeit des heutigen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Sie erinnern sich, 1989 machte der Spruch vom »Ende der großen Erzählungen« die Runde: Die freie Marktwirtschaft, gekoppelt mit der repräsentativen Demokratie, habe sich als das erfolgreichste System durchgesetzt, und von nun an lohne es nicht mehr, über Utopien nachzudenken. Dagegen regt sich Widerspruch.
Wie lässt sich denn das Bauhaus in ein sehenswertes Programm übersetzen?
Wir wollen uns mit der Wechselwirkung von gesellschaftlichen Um- und künstlerischen Aufbrüchen beschäftigen, die sich an kaum einem Beispiel so gut diskutieren lässt wie an der Gründung des Bauhauses. Ohne Revolution und Republiksgründung kein Bauhaus. Umgekehrt wollte das Bauhaus dazu beitragen, die Gesellschaft zu stabilisieren. Das Ringen ums Gleichgewicht - damals wie heute - ist ein zentrales Motiv des diesjährigen Programms.
Kunstfest Weimar 2018: »Von Hochstaplern und Seiltänzern - wie das Bauhaus nach Weimar kam«. Vom 17. August bis 2. September. www.kunstfest-weimar.de
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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